notifications
Zolldeal

Die Wirtschaft jubelt, die Politik zeigt sich zurückhaltender

Mit grossen Zugeständnissen hat der Bundesrat im Zollstreit mit den USA eine Lösung gefunden. Die Palette an Emotionen reicht von Jubel bis zur Ablehnung.
Im Zollstreit zwischen der Schweiz und den USA gibt es nun eine Annäherung.
Bild: Keystone

Die Erleichterung der Wirtschaft über den Deal mit den USA ist in ihren Statements lesbar. «Ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil fällt damit weg», schreibt der Dachverband Economiesuisse in einer Mitteilung. Der Zollsatz von 39 Prozent sei für gewisse Firmen «existenzbedrohend» gewesen. Die Schweiz erhalte «wieder gleich lange Spiesse» wie die EU.

Grund, die Champagnerkorken knallen zu lassen, sieht aber niemand. Von einem «kurzem Aufatmen», spricht Swissmem. Eine Entwarnung sei das aber noch lange nicht, so der Verband der Techindustrie, die hart von den Zöllen getroffen wurde. «Die Unsicherheit im Markt ist riesig. Es wäre töricht, die Hände in den Schoss zu legen», so Direktor Martin Hirzel. Er fordert weitere Erleichterungen für die Industrie,

«Was sind die Konzessionen?»

Emotional hin- und hergerissen man auch beim Gewerbeverband. Direktor Urs Furrer sieht zwar einen «Lichtblick für die Schweizer KMU», aber es sei immer «noch nicht der Zustand vor August 2025 wiederhergestellt». Auch scheint Furrer dem Deal noch nicht ganz zu trauen: «Zu prüfen bleibt, wie die Konzessionen der Schweiz aussehen, sobald diese publiziert sind».

SVP-Ständerat Werner Salzmann gibt sich verhalten positiv.
Bild: Keystone

Wie heikel zu frühe Jubelschreie sind, bewies die SVP am Tag des Zolldeals. Lange vor der offiziellen Kommunikation preschte die Partei vor und gratulierte ihrem Bundesrat Guy Parmelin, der «erneut geliefert» habe. Kurze Zeit später löschte die Volkspartei alles und sprach von einem Versehenn. Nach dem veröffentlichten Deal verschickte die SVP-Parteizentrale dann erneut die gleiche Meldung. Darin verknüpft sie die Zolleinigung wenig überraschend mit dem EU-Abkommen: Es gelte standhaft zu bleiben, so die Quintessenz der Botschaft.

Von SVP-Ständerat Werner Salzmann tönt es auf Nachfrage von CH Media etwas nüchterner: «15 Prozent Zölle sind klar besser als 39 Prozent. Aber auch 15 Prozent sind eine Belastung für die Wirtschaft.» In den Zugeständnissen der Wirtschaft für Investitionen von 200 Milliarden US-Dollar in den USA sieht Salzmann kein Problem. Kritischer bewertet er hingegen einen anderen Punkt im neuen Abkommen: dass die Schweiz den USA zollfreien Export von 500 Tonnen Rindfleisch, 1000 Tonnen Bisonfleisch und 1500 Tonnen Geflügelfleisch gewährleisten will. «Das könnte die Schweizer Landwirtschaft unter Druck setzen.»

Badran ist hocherfreut über den Deal

SP-Nationalrätin Jacqueline Badran spricht von einem Coup.
Bild: Oliver Menge

Die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran fällt dagegen ein überraschend positives Urteil: Von einem «Preis» für die Schweiz will sie nicht sprechen. Die 200 Milliarden seien Investitionen der Privatwirtschaft, vor allem der Pharma, «die ohnehin seit langer Hand geplant waren». Der eigentliche Trick liege laut Badran bei der Goldbranche: Die Verlagerung der Goldschmelze in die USA nehme rund 20 Milliarden aus dem Handelsbilanzdefizit gegenüber der Schweiz. «Das kostet uns gar nichts, denn die Wertschöpfung der Raffinerien bleibt hier», sagt sie. Psychologisch sei das aber wahrscheinlich matchentscheidend gewesen, da Trump bekanntlich Gold liebe.

Die SP-Politikerin hält fest: «Am Ende ist es ein Coup. Das Handelsbilanzdefizit wird umgelagert, ohne dass es uns etwas kostet.» Laut Badran sei dies vor allem von den Unternehmen eingefädelt worden, weniger von Bundesrat Guy Parmelin. «Trumps Psyche funktioniert so: Er verachtet Politik, Parlament und Justiz. Aber erfolgreiche Unternehmer respektiert er ja anscheinend und die können ihm das auch in seiner Sprache besser verkaufen.»

Verhaltene Freude bei Mitte und FDP

Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy will die Zugeständnisse der Wirtschaft genauer anschauen.
Bild: Keystone

Auch Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy begrüsst den neuen Deal grundsätzlich: «Das Abkommen schafft Rechtssicherheit für unsere Wirtschaft und sichert vorläufig Arbeitsplätze in der Schweiz.» Was die Zugeständnisse der Wirtschaft angeht, will Bregy noch kein Urteil fällen. «Es sollte nicht sein, dass die Unternehmen Arbeitsplätze in die USA verlegen und im Gegenzug in der Schweiz abgebaut wird.» Die Umsetzung werde er deshalb genau beobachten.

Ähnlich verhalten klingt es bei FDP-Ständerat Thierry Burkart: Die Unsicherheiten für die Schweiz als Exportland blieben bestehen, da Trumps Zollpolitik den Welthandel stark einschränke. Zölle, die Trump auf Importe aus anderen Ländern erhebe, hätten auch weiterhin indirekten Einfluss auf unsere Wirtschaft. «Wie sich die Preise entwickeln werden, wird die Zukunft zeigen.»

Thierry Burkart ehemaliger Parteipräsident der FDP Schweiz betont, dass weiterhin Unsicherheiten bestehen bleiben.
Bild: Alex Spichale

Die Investitionszugeständnisse der Wirtschaft, etwa der Pharma- und Goldindustrie, sieht Burkart als Liberaler durchaus als Einmischung in den freien Markt und daher ungern. Er sagt jedoch: «Ich gehe davon aus, dass ein Teil dieser Investitionen ohnehin geplant gewesen ist.» Grundsätzlich kommt Burkart jedoch zum Fazit: «Die Schweiz hat in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft wohl den bestmöglichen Deal ausgehandelt.»

Massive Kritik von den Grünen

Das sehen die Grünen anders. Sie torpedieren das Vertragswerk als «eigentlichen Unterwerfungsvertrag» und spielen damit auf das SVP-Wording zu den Verträgen mit der EU an. Der Zolldeal entlaste zwar gewisse Schweizer Unternehmen, sei aber ein gefährlicher Präzedenzfall, schreibt die Partei in einer Medienmitteilung.

Die Schweiz habe sich die Zugeständnisse mit fragwürdigen Methoden und Goldgeschenken im Gepäck erkauft, statt auf den Entscheid des Supreme Courts, des Obersten Gerichtshofes, zu warten. Es dürfe nicht sein, dass Unternehmen im Namen der Schweiz Abkommen aushandeln, die ihren Partikularinteressen dienen.

Insbesondere der drohende zollfreie Import von Hormonfleisch und Chlorhühnern seien das Resultat eines undemokratischen Prozesses, der die Schweizer Landwirtschaft und die Konsumenten massiv schädigen werde.

Mehr zum Thema: