
Als Bundesrat Guy Parmelin und Seco-Chefin Helene Budliger vor die Medien traten, um die erfolgreichen Verhandlungen mit den USA zu verkünden, ging es bezüglich Schweizer Zugeständnissen vor allem um die 200 Milliarden Dollar Investitionen hiesiger Firmen in den USA oder weitgehendem Entgegenkommen bezüglich Zöllen im landwirtschaftlichen Bereich.
Doch ein am Freitag vom Weissen Haus veröffentlichtes «Joint Statement» zeigt: Die USA fordern von der Schweiz noch weit mehr. Laut der SonntagsZeitung umfassen die Papiere insgesamt 29 Punkte. Darunter gibt es einige, die hierzulande kontrovers sind. Unter anderem finden sich auf der Liste folgende US-Forderungen:
- Die Schweiz muss verschiedene Zölle auf 0 senken: Die Schweiz soll statt 39 15 Prozent Zölle und einige zusätzliche Ausnahmen auf Spezialgüter erhalten – im Gegenzug muss sie Zölle vor allem im Nahrungsmittel- und landwirtschaftlichen Bereich komplett aufheben: Nüsse, Früchte, Chemikalien, Whisky, Rum. Zudem sollen Kontingente für Produkte wie Rindfleisch erhöht oder der Import der umstrittenen Chlorhühner erlaubt werden. Der Schweizer Bauernchef Markus Ritter hat im «SonntagsBlick» bereits Forderungen nach mehr Unterstützung für die Schweizer Bauern gestellt.
- Die Schweiz muss US-Autostandards übernehmen: Klar und deutlich wird auf der Liste formuliert, dass die Schweiz US-Standards bei Autos anerkennen müsse. Bisher durften insbesondere die grossen US-Pick-ups und SUVs nicht ohne Modifizierung auf Schweizer Strassen unterwegs sein. So zum Beispiel Elon Musks Cybertruck. Der Import und die Nutzung des vieldiskutierten Fahrzeugs könnten somit plötzlich vorbehaltlos erlaubt sein.
- Die Schweiz soll US-Sanktionen übernehmen: Dieser Punkt ist besonders heikel. Obwohl Guy Parmelin im Zuge der Verhandlungen versichert hatte, dass die USA bisher von der Schweiz nicht verlangten, wirtschaftliche Sanktionen zu übernehmen, stehen solche Forderungen laut der Liste im Raum. Bereits vor Wochenfrist gab es Berichte, wonach Trump solche Bedingungen gegenüber der Schweizer Unternehmerdelegation im Weissen Haus vorgebracht hatte. In der Schweizer Politik stiess dies quer durch die Parteienlandschaft auf Kritik und Ablehnung.
- Keine Steuern für die Tech-Giganten: Google, Amazon, Meta und Co. sollen in der Schweiz nicht spezifischer besteuert werden dürfen. Das Weisse Haus bezeichnet Steuern auf digitale Dienstleistungen als «schädlich», deshalb soll darauf verzichtet werden. Das Thema ist brisant, weil im Schweizer Parlament mehrere Forderungen nach mehr Transparenz und Techkonzern-Verantwortung behandelt werden. Ganz neu wäre ein Schweizer Entgegenkommen aber nicht: Bereits Ende August sickerte durch, dass der Bundesrat bereit ist, auf eine härtere Gangart gegenüber den Tech-Giganten zu verzichten, um Trump milde zu stimmen.
Was viele der Punkte gemeinsam haben: Sie sind nicht eindeutig, sondern vielfach schwammig formuliert. Gegenüber der NZZ am Sonntag entkräftet das Wirtschaftsdepartement WBF denn auch mehrfach die Absolutheit der aufgelisteten Forderungen, beispielsweise bezüglich der Übernahme von Sanktionen:
Stattdessen würde die Schweiz als souveräner Staat weiterhin selbst über Massnahmen in diesen Bereichen entscheiden. Ob die US-Regierung diese Interpretation des WBF teilt, ist nicht bekannt.
Fragezeichen bleiben: Was, wenn die USA auf gewissen, hierzulande besonders unpopulären Punkten, die auf der Liste stehen, vollumfänglich bestehen? Dann müssten diese weiterverhandelt werden, wenn sich die Schweiz nicht damit zu arrangieren bereit ist – angesichts der Impulsivität des US-Präsidenten ein heikles Unterfangen.
In der freitäglichen Euphorie zudem nicht vergessen werden sollte, dass es sich beim verkündeten Übereinkommen um eine Absichtserklärung handelt, nicht um ein unterschriebenes Abkommen. Der Weg bis zu einer definitiven Reduktion der Zölle könnte angesichts der US-Vorstellungen noch deutlich weiter sein, als sich die Beteiligten das wünschen.
Zur Unklarheit passt, dass das Joint Statement («gemeinsame Erklärung») bisher nur von den USA, nicht aber von der Schweiz publiziert wurde. Laut dem WBF sei das einem «internen Missverständnis» geschuldet und werde «so schnell wie möglich» nachgeholt, wie es gegenüber der NZZ heisst. (con/watson)


