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Ukrainekrieg

«Trump verhandelt den Sieg Putins – nicht den Frieden»

Professor Ulrich Schmid, Russland-Experte an der Universität St. Gallen, erklärt, warum Donald Trumps Friedenspläne gefährlich naiv sind, Putin den Krieg nicht beenden will – und weshalb die Ukraine trotz westlicher Hilfe im Stich gelassen wurde.
Russland-Experte Professor Ulrich Schmid
Bild: Raphael Rohner

Zwischen Krieg und Frieden wird in diesen Tagen wieder verhandelt – und die Welt schaut auf Genf. Die USA und Russland haben einen neuen Friedensplan ausgearbeitet, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Professor Ulrich Schmid, wie beurteilen Sie diese Gespräche?

Ulrich Schmid: Russland spielt erneut mit den Friedenserwartungen des Westens. Donald Trump drängt auf eine schnelle Einigung – bis Thanksgiving, wie er sagte. Das wirkt befremdlich, weil Washington hier hinter dem Rücken der Ukrainer verhandelt. Trump hat eine eigentümliche Faszination für Putin. Ob er ein naiver Bewunderer oder ein nützlicher Idiot ist, bleibt offen. Sicher ist: Er bewundert Putins Macht – eine Macht, die er selbst in den USA gerne hätte. Trump verhandelt Russlands Sieg, nicht den Frieden!

Viele geben der NATO eine Mitschuld am Krieg. Was entgegnen Sie solchen Stimmen?

Das ist ein russisches Narrativ. Die NATO hat sich nicht nach Osten gedrängt – die osteuropäischen Staaten haben Schutz gesucht. Nach Jahrzehnten sowjetischer Besatzung wollten Polen oder Estland nur eines: Sicherheit. Ohne NATO sähen sie heute aus wie die Ukraine. Diese Propaganda verfängt im Westen, weil sie an alte antiamerikanische Reflexe appelliert.

Worum geht es Putin wirklich in diesem Krieg?

Nicht um Macht – die hat er längst. Ihm geht es um historische Grösse. Er will als derjenige in die Geschichte eingehen, der das «historische Russland» wiederhergestellt hat. Der Zusammenbruch der Sowjetunion ist für ihn die grösste Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Solange er das nicht korrigiert hat, wird er keinen Frieden akzeptieren. Jeder Friedensplan ist für ihn nur ein taktisches Mittel.

Warum ist Russland im Innern so stabil, obwohl der Krieg seit Jahren andauert?

Der Kreml hat die Gesellschaft erfolgreich depolitisiert. Politik macht der Staat, die Bürger dürfen konsumieren und schweigen. Das hat lange funktioniert – bis zur Teilmobilmachung 2022. Da wurde den Menschen plötzlich bewusst, dass der Krieg sie direkt betrifft. Trotzdem hält sich das System, weil Angst, Propaganda und Resignation eng ineinandergreifen.

Warum wird überhaupt in Genf verhandelt, wenn die Schweiz für Russland kaum noch eine Rolle spielt?

Genf war ein Kompromissort – akzeptabel für die Ukraine und die USA. Die Stadt hat eine lange Tradition als Standort internationaler Organisationen. Doch seit die Schweiz die EU-Sanktionen übernommen hat, gilt sie für Russland als befangen. Ich glaube nicht, dass Genf in Zukunft noch eine zentrale Rolle bei Friedensgesprächen spielen wird.

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