Egal ob als Puff Daddy, P. Diddy oder mittlerweile nur noch Diddy: Wer in den 90er und 2000er Jahren Augen und Ohren hatte, kam um den Rapper kaum herum. Er half, Hip-Hop zum Mainstream zu machen, war 14 Mal für einen Grammy nominiert, förderte Talente wie Mary J. Blige oder Usher und scharte zahlreiche Promifreunde um sich. Doch dann landete er vor Gericht und im Knast.

Jetzt ist klar für wie lange: Sean «Diddy» Combs muss 50 Monate ins Gefängnis. Dieses Strafmass verkündete das Bundesgericht in New York. Der Richter verhängte ausserdem eine Geldstrafe von 500‘000 US-Dollar und ordnete fünf Jahre Bewährung nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis an. Der Rapper wurde zwar im Juli von den schwerwiegenderen Anklagepunkten des Sexhandels freigesprochen und entging damit einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Doch er wurde für schuldig befunden, zwei seiner Ex-Freundinnen zum Zwecke der Prostitution transportiert zu haben.
Eine davon war Cassie Ventura, die in einem Video zu sehen war, in dem Diddy sie 2016 in einem Hotelflur verprügelte. Sie appellierte an den Richter, Diddy nicht davon kommen zu lassen, weil sie sonst seine Rache fürchte.
Kurz bevor das Strafmass verkündet wurde, meldete sich auch der Rapper beim Richter und bettelte um Gnade. In einem vierseitigen Brief beteuerte er, wie sehr ihm der «Schmerz und das Leid, das ich anderen zugefügt habe» leidtue. «Mein altes ich ist im Gefängnis gestorben und eine neue Version wurde wiedergeboren», schrieb er und versprach, nie wieder in einem Gericht zu landen, wenn er nur eine zweite Chance bekäme.

«Die Öffentlichkeit muss vor seiner Gewalt geschützt werden»
Doch die Staatsanwaltschaft zeichnete ein ganz anderes Bild von Diddy. Sie forderte elf Jahre Haft und bat den Richter, «die Schwere und Dauer der Straftat sowie seine jahrzehntelangen, unkontrollierten Gewalttätigkeit», zu berücksichtigen. Denn während er behauptet, sich geändert zu haben, seien seine Opfer noch dabei, die Scherben aufzusammeln. Die Gewalt, die er gegenüber Ventura zeigte, sei etwas, «vor dem die Öffentlichkeit geschützt werden muss.»
Diddy sei ausserdem «in höchstem Masse überheblich»: Ein vor Gericht eingereichtes Schreiben einer gemeinnützigen Organisation in Miami zeigte, dass er bereits ab nächster Woche Vorträge vereinbart habe. Der Rapper habe also im Vorfeld mit einer kurzen Gefängnisstrafe gerechnet. Diddy’s Team verteidigte das damit, dass die Staatsanwaltschaft diese Pläne falsch darstelle. Es handle sich um Kurse, um verurteilten Menschen zu helfen: «Wir brauchen etwas, was er tun kann, wenn er heute entlassen wird.»
«Er wurde bereits auf einer öffentlichen Bühne bestraft»
Das hätte unter Umständen passieren können. Seine Verteidigung plädierte für nur 14 Monate Haft, was der bereits verbüssten Zeit entsprochen hätte. Ihr Mandant verdiene keine höhere Strafe, da er «streng und strafend behandelt worden sei, und die Welt wisse das». Im Vorfeld argumentierten seine Anwälte, dass er nicht persönlich von seinen «Freak-off»-Sexpartys profitiert habe und sein Verhalten gegenüber Ventura zwar unangemessen, aber «nicht kriminell» gewesen sei.
Diddy's Team packte ein ganzes Arsenal an möglichen mildernden Umständen aus: Sein Team verwies auf die «Inspiration», die er anderen während seiner Zeit im Gefängnis gegeben habe und wie er «als einer der ersten schwarzen Musiker ein eigenes Plattenlabel gründete und seinen Erfolg genutzt hat, um anderen zu helfen». Er sei nur ein Mensch und es sei nicht richtig, ihm alles zu nehmen, «nur weil er Fehler gemacht hat.»

Der 55-Jährige leide an einem «unbehandelten Trauma», weil er in seiner Kindheit zusehen musste, wie Freunde starben. Ausserdem sei er süchtig nach Schmerzmitteln gewesen, was ebenfalls zu seinem Verhalten beigetragen habe. Ihr Mandant müsse «geheilt und nicht eingelagert werden». Wenn er freigelassen würde, wolle er eine Therapie machen und zu seiner Mutter nach Miami ziehen.
«Ich bitte um Gnade»
Auch Diddy's Kinder sagten vor Gericht, ihr Vater sei ein «veränderter Mann», der seine Lektion gelernt habe. Er sei ihr Held und habe ihnen beigebracht, Frauen mit Respekt zu behandeln. Schluchzend baten sie den Richter um ein gerechtes Urteil, das ihre Familie «heilen» könne. Dann zeigte die Verteidigung auch noch ein Video, in dem Diddy mit seinen Kindern betet und sich für wohltätige Zwecke engagiert.

Zuletzt konnte sich Diddy selbst äussern und betonte erneut, wie leid ihm sein Verhalten tue: «Es war abscheulich, beschämend und krank.» Drogen hätten ihn krank gemacht und er habe die Kontrolle verloren. «Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber die Zukunft», sagte er. «Ich bitte um Gnade, damit ich wieder Vater und Sohn sein und wieder eine Führungsrolle in meiner Gemeinde übernehmen und die Hilfe bekommen kann, die ich dringend brauche.» All das hat allerdings nicht viel genutzt.
Richter Arun Subramanian sagte, er habe bei der Festlegung des Strafmasses mehrere Faktoren berücksichtigt. Darunter, dass Diddy ein Selfmade-Künstler sei, der «Gemeinschaften weltweit inspiriert und gestärkt» habe. Seine Arbeit hinter Gittern sei beeindruckend: «Das Gericht hofft, dass Sie das auch weiterhin tun werden.» Doch er habe Diddy‘s gesamte Vergangenheit berücksichtigen müssen: «Sie haben Ihre Macht und Kontrolle über Frauen missbraucht, die Sie angeblich liebten.»
Diddy’s beide Ex-Freundinnen, die zu seinen Opfern wurden, bezeichnet er als «mutige Überlebende», die anderen eine Stimme gaben: «Ich kann nur sagen, dass Ihre Familien stolz auf Sie sind und Ihre Kinder stolz auf Sie sein werden, dass Sie vor Gericht erschienen sind, um zu erzählen, was wirklich passiert ist. Sie haben nicht nur mit der Jury gesprochen, sondern mit den Frauen, die sich machtlos fühlen.»
Wie geht es jetzt weiter?
Diddy’s Rechtsstreitigkeiten enden noch nicht. Er hat immer noch mindestens 50 Zivilklagen an Hals, in denen ihm unter anderem Sexhandel und sexuelle Nötigung vorgeworfen werden. Denn obwohl er im Strafverfahren in manchen Punkten nicht schuldig gesprochen wurde, kann er in einem Zivilprozess trotzdem dafür strafbar gemacht werden. Dazu kommt, dass in Zivilklagen geringere Beweisstandards erforderlich sind. Dabei könnte er zu Schadensersatzzahlungen verurteilt werden, egal ob er hinter Gittern ist.
Der wohl bekannteste Fall, bei dem genau das passierte, ist der von O.J. Simpson. Der Ex-Footballspieler wurde 1994 zwar des Mordes an seiner Exfrau Nicole Brown Simpson und deren Bekannten Ron Goldman für unschuldig befunden, später jedoch in einem Zivilprozess für ihren Tod haftbar gemacht und zu einer Zahlung von über 33 Millionen Dollar verurteilt.