
Sie gelten in der Schweiz zwar als Skandal-Drohnen. Doch die israelischen Aufklärungsdrohnen Hermes 900 können einiges. Das hat sich eben gezeigt im Zwölftageskrieg von Israel gegen den Iran.
60 Prozent der israelischen Aktionen seien nicht von Kampfjets, sondern von Drohnen des Typs Hermes 900 ausgeführt worden, sagt Urs Loher, Direktor des Bundesamts für Rüstung (Armasuisse). «Damit hatten die Drohnen wesentlichen Anteil am Erfolg.» Die Drohnen flogen mit Benzinmotor 1500 Kilometer weit, klärten Luftabwehrstellungen auf, störten das Funksystem mit elektromagnetischen Wellen und führten bewaffnete Angriffe durch.
Die Hermes 900 ist zwar in der Schweiz nicht bewaffnet. Doch auch hier kann sie vieles leisten, macht Korpskommandant Laurent Michaud an einer Medienkonferenz klar, Chef des Kommando Operationen. Er trägt neu die Verantwortung für das Drohnen-Projekt.
«Zum Beispiel kann die Drohne die ganze Stadt Zürich in weniger als zehn Minuten in einer Auflösung von besser als zehn Zentimetern aufnehmen, auch im Infrarotbereich», betont er. Die detaillierte Beschreibung eines Gegenstands in der Grösse von 30 Zentimetern ist am Tag aus acht Kilometern Höhe möglich, in der Nacht aus drei Kilometern. Michaud spricht von «exklusiven und unverzichtbaren zusätzlichen Informationen».
Das war ein wesentlicher Grund dafür, dass Bundesrat Martin Pfister von seinem Vorsatz abrückte, dem Projekt der sechs Aufklärungsdrohnen des israelischen Unternehmens Elbit den Stecker zu ziehen.
«Ein Abbruch wäre für mich einfacher gewesen», sagt er. «Dann hätte ich Tabula rasa gehabt.» Ein Abbruch hätte aber für eine Lücke gesorgt bei zentralen Fähigkeiten: Aufklärungen mit langer Verweildauer in der Luft.
Deshalb entschied sich Pfister dazu, auf Funktionen zu verzichten, auf welche die Schweiz lange gepocht hatte.
Verzicht 1: Automatisches Ausweichsystem
Das automatische Ausweichsystem «Detect and Avoid» sollte es möglich machen, dass die Drohne Segelfliegern und Vögeln ausweicht. Doch die Ruag brachte es nicht zur Reife. Der Verzicht auf das System führt zu Einschränkungen im Flugbetrieb der Drohne. So muss sie im unkontrollierten Luftraum (bis 3000 Metern im Mittelland, bis 4000 Meter über den Alpen) von einer PC 6 als Begleitflugzeug flankiert werden. «Die Risiken sind sonst zu hoch», sagt Rüstungschef Loher.
Verzicht 2: Kein GPS-unabhängiges Start- und Landesystem
Das VBS verabschiedet sich vom GPS-unabhängigen Start- und Landesystem. Damit wird Bodennebel für die Drohnen zum Problem. Sie können nicht mehr fliegen, sobald die Sicht eingeschränkt ist.

Verzicht 3: Das Enteisungs-System entfällt
Das VBS verzichtet auf das Enteisungssystem. Das hat zur Folge, dass Drohnenflüge nicht mehr möglich sind, sobald die Bildung von Eis droht. Dann können die Drohnen ins Tessin verlegt werden.
Das Projekt nicht abzubrechen, sei «ein Risiko», gesteht Bundesrat Pfister. 2015 hatte das Parlament den Kauf des Aufklärungsdrohnensystem 15 mit sechs Drohnen Hermes 900 für 298 Millionen Franken beschlossen. Zehn Jahre später hat das Verteidigungsdepartement 97,5 Prozent der 300 bewilligten Millionen verpflichtet, wie Rüstungschef Loher sagt.
Elbit hat bislang fünf Drohnen ausgeliefert, die sechste wird bis Ende Jahr erwartet. Zertifiziert sind allerdings nur gerade zwei Drohnen. Diese haben eine uneingeschränkte Luftfahrtüchtigkeit. Bei vier Drohnen ist das noch nicht der Fall. Dazu kommen Befürchtungen, es könnte zu zusätzlichen Verzögerungen kommen.
Die Angst vor einem Abbruch geht weiter um
«Politisieren ohne Risiko geht nicht», sagt Bundesrat Pfister. Aber er betont: «Wir müssen alles tun, damit die Risiken nicht eintreten.» Als «Hauptrisikopunkt» sieht er den Nachtragsvertrag, den Armasuisse mit der israelischen Herstellerin Elbit abschliessen will. «Die Lieferantin steht in der Verantwortung», sagt er. «Erste Gespräche dazu haben stattgefunden.»
Klar ist aber: Das Geschäft steht nach wie vor nicht auf sicherem Boden. «Es besteht das Risiko, dass die Drohne nicht fliegt», sagt Rüstungschef Loher. Und betont: Sollten sich Armasuisse und Elbit bei den Kompensationszahlungen nicht finden, «steht für uns ein Abbruch nach wie vor zur Diskussion». Pfister bekräftigt das.
Bleibt die Frage. Wer ist schuld am Drohen-Debakel? Elbit, weil es Verpflichtungen nicht nachkam? Oder die Schweiz, weil sie auf Helvetisierungen pochte?
«Elbit spielt eine wichtige Rolle», sagt Bundesrat Pfister. «Aber mit den Helvetisierungen haben auch wir einen Anteil daran, dass das Projekt bisher nicht erfolgreich ist.»