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AfD und BSW

«Das ist Landesverrat»: Putins geheime Lobby in Berlin

AfD- und BSW-Abgeordnete pflegen enge Kontakte nach Moskau. Russische Strategiepapiere zeigen, wie der Kreml über sie Einfluss auf die deutsche Politik nehmen will.
«Putin ist keine Gefahr für Deutschland»: Die AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel and Tino Chrupalla im deutschen Bundestag.
Bild: Filip Singer/EPA

In Deutschland gehen die Wogen noch höher als sonst: «Wenn die AfD uns hier ausspäht und Putin zuarbeitet, ist das Landesverrat. Die AfD hat sich immer mehr radikalisiert und stellt inzwischen eine grosse Gefahr für unser Land dar. Hass, Hetze, Putintreue.» So scharf wettert der ehemalige SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach in den sozialen Netzwerken.

Aber auch die bayerische CSU ist sich sicher: «Die AfD ist Putins Sprachrohr! Die langjährigen Verstrickungen nach Moskau sind erschreckend. Wer gemeinsame Sache mit Putin und Medwedew macht, verrät unser Land. Die AfD ist ein Sicherheitsrisiko für Deutschland.»

Der Aufschrei, der über die gewohnte «Brandmauer» zur AfD hinausgeht, hat seinen Grund: Der Kreml intensiviert offenbar seine Kontakte zu deutschen Parteien am politischen Rand. Nach Recherchen von t-online baut Russland systematisch Verbindungen zu Abgeordneten der AfD, aber auch zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf. Ziel sei es, die gegen Moskau verhängten Sanktionen und die Unterstützung der Ukraine zu untergraben – und somit auch zentrale Projekte von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu schwächen.

In der kommenden Woche will eine Gruppe prominenter AfD-Politiker zu einer Konferenz im russischen Sotschi reisen. Wie die dpa und t-online berichten, gehören dazu die Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Rainer Rothfuss, der sächsische AfD-Landeschef Jörg Urban sowie der EU-Abgeordnete Hans Neuhoff.

Laut t-online plant zumindest ein Teil der Delegation ein Treffen mit Dmitri Medwedew, dem früheren russischen Präsidenten und heutigen Vizechef des Sicherheitsrats – bekannt als einer der schärfsten Propagandisten von Kreml-Herrscher Putin. Rothfuss bestätigte dem Portal seine Teilnahme an einer Diskussionsrunde mit Medwedew: «Die Runde war schon im Vorjahr ein lohnender Termin und ermöglichte einen differenzierten Blick.»

Nach Veröffentlichung der Recherchen griff jedoch die AfD-Fraktionsspitze in Berlin ein und untersagte den Abgeordneten kurzfristig ein Treffen mit Medwedew. Die Teilnahme an der Konferenz – dem sogenannten «Brics-Europa-Symposium» – bleibt hingegen erlaubt.

Urban verteidigte die Reise gegenüber der Agentur dpa: «Die Russland-Sanktionen schaden unserem Land sehr stark. Sobald die AfD in Regierungsverantwortung ist, werden wir sie abschaffen.» Kotré erklärte, man wolle «deutsche Interessen wahrnehmen, die die Bundesregierung nicht mehr verfolgt».

BSW ebenfalls im russischen Einflussnetz

Auch das von Sahra Wagenknecht gegründete BSW ist nach den Recherchen von t-online Teil dieses Netzwerks. Demnach trafen sich im Mai 2025 der BSW-Europaabgeordnete Michael von der Schulenburg und seine Parteikollegin Ruth Firmenich in Moskau mit russischen Parlamentariern und Vertretern der Russischen Akademie der Wissenschaften, einem regierungsnahen Thinktank, der regelmässig Strategiepapiere zur politischen Lage in Deutschland verfasst.

Bereits im Oktober 2024 berichteten «Die Zeit» und das ARD-Magazin «Kontraste» über ein solches Papier, in dem Russland empfahl, «die Angst deutscher Bürger vor einem Konflikt mit der Nato zu schüren». Als politische Multiplikatoren wurden ausdrücklich AfD und BSW genannt. Mit Wagenknechts Umfeld sollten «engere Kontakte» geknüpft werden, die AfD wolle der Kreml «mit allen Mitteln unterstützen», zitiert t-online aus den Unterlagen.

Videoschalten mit russischer Duma

Nach Angaben von t-online nahmen im Oktober mehrere EU-Abgeordnete, darunter AfD-Politiker Hans Neuhoff und BSW-Abgeordneter Jan-Peter Warnke, an einer vertraulichen Videoschalte mit dem Ausschuss für internationale Angelegenheiten der russischen Duma teil. Offiziell ging es um Themen wie Wissenschaft und Kultur – tatsächlich aber auch um Energiepolitik und mögliche Gaslieferungen nach Deutschland.

Die russische Seite sprach laut offizieller Mitteilung offen von einer «Rückkehr zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit» und verurteilte die «illegalen Sanktionen» der EU. Der luxemburgische EU-Abgeordnete Fernand Kartheiser, Organisator der Runde, kündigte an, weitere Konferenzen mit russischen Parlamentariern zu planen – in Ländern ohne EU-Sanktionen wie der Türkei.

Verdacht auf Ausforschung kritischer Infrastruktur

Die Russlandnähe der AfD sorgt auch im Inland für wachsende Sicherheitsbedenken. Nach einem Bericht im «Spiegel» ermittelt der deutsche Verfassungsschutz, ob AfD-Abgeordnete ihre parlamentarischen Rechte missbrauchen, um sicherheitsrelevante Informationen auszuspionieren.

Laut Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) habe die AfD im Landtag «gezielt und rasterartig» Anfragen zu kritischer Infrastruktur gestellt – darunter zu Militärtransporten, Drohnenabwehr, Energieversorgung und Kommunikationsnetzen. «Die AfD nutzt das parlamentarische Fragerecht, um unsere Sicherheitsstrukturen auszuleuchten», sagte Maier dem «Spiegel». CDU-Politiker Marc Heinrichmann bezeichnete die Partei gar als «russlandtreue Schläferzelle».

Die AfD weist alle Anschuldigungen zurück. Ihre Fraktion spreche lediglich von einem Versuch, «Gesprächskanäle offenzuhalten». Der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier erklärte: «Wenn irgendetwas dran wäre, hätten Sie uns doch längst eingekerkert.»

Moskaus Strategie im Westen

Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste versucht Russland, über Parteien wie AfD und BSW Einfluss auf die deutsche und europäische Politik zu nehmen. Ziel sei es, die öffentliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und die Sanktionen zu unterlaufen.

AfD-Chef Tino Chrupalla hatte bereits im Oktober erklärt, «Putin ist keine Gefahr für Deutschland» (t-online). Die Partei fordert offen ein Ende der Sanktionen und den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland.

Während Merz in Brüssel um die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte zur Unterstützung der Ukraine wirbt, fragen russische Staatsmedien bereits, welche europäischen Abgeordneten «Brüssels Pläne vereiteln» könnten – und verweisen auf die Kontakte nach Deutschland.

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