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Energieversorgung

Wieder ein Korruptionsfall in der Ukraine – dieser ist besonders heikel

Millionenschwere Schmiergeldzahlungen, Ermittlungen und ein abgetauchter Selenski-Vertrauter: Der ukrainische Energiekonzern Energoatom ist ins Visier von Korruptionsfahndern geraten.
«Unsere Helden sind nicht für die Korruption gestorben»: Die Teilnehmerin an einer Antikorruptionsdemo im Sommer 2025 in Kiew.
Bild: Efrem Lukatsky/AP

Nach einer Serie von Razzien wegen mutmasslicher Korruption beim staatlichen ukrainischen Energiekonzern Energoatom hat Wolodimir Selenski strenge Massnahmen und Verurteilungen verlangt. «Die Reinhaltung des Unternehmens hat Priorität», erklärte der ukrainische Präsident in seiner allabendlichen Videobotschaft. Es sei jeder zu bestrafen, «der an korrupten Machenschaften beteiligt war», sagte Selenski am Ende des Videos.

Die Ermittlungsbehörden — insbesondere das Nationale Anti-Korruptionsbüro der Ukraine (Nabu) und die spezialisierte Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo) — führen nach eigenen Angaben ein aufwendiges Verfahren gegen Korruption im Energiesektor. In einer offiziellen Erklärung spricht Nabu von einer «hoch­rangigen kriminellen Organisation», die «ein grosses Bestechungsnetz aufgebaut hat, um zentrale staatliche Unternehmen wie Energoatom zu kontrollieren». Das berichtete neben anderen Medien das Onlineportal «Kyiv Independent» am Dienstag.

Im Zentrum der Ermittlungen steht der Unternehmer Timur Mindich. Der 46-jährige Produzent war früher Geschäftspartner von Selenski und Mit­inhaber der Medienfirma Kvartal 95. Laut Berichten verliess Mindich das Land, kurz bevor an seinem Wohnsitz in Kiew am 10. November Durchsuchungen stattfanden. Besonders pikant: Erst vor wenigen Tagen hatten Recherchierjournalisten der «Ukrainska Pravda» enthüllt, dass Mindich unter Selenski seinen wirtschaftlichen Einfluss wesentlich ausbauen konnte. Zudem könnte er laut «Kyiv Independent» auch ein Urheber von früheren Versuchen gewesen sein, die Unabhängigkeit der ukrainischen Antikorruptionsbehörden einzuschränken.

Gemäss Angaben von Nabu betrieb die Gruppe um Mindich ein Bestechungs­system, bei dem 10 bis 15 Prozent der Vertragssummen zur Errichtung von Schutzbauten für Energieanlagen gezahlt werden mussten.

Der Hauptverdächtige Timur Mindich soll inzwischen aus der Ukraine geflohen sein.
Bild: Social Media

Mindich wird zudem mit dem Justizminister und früheren Energieminister Herman Halushchenko in Verbindung gebracht — dessen Privat­räume wurden ebenfalls Ziel von Durchsuchungen. Laut «Ukrainska Pravda» hat Nabu die Telefone von mindestens vier aktuellen oder ehemaligen Ministern angezapft; ausserdem gab es eine Verhaftung in den eigenen Reihen der Korruptionsjäger.

Die Affäre trifft Kiew in einer kritischen Phase: Während russische Raketen und Drohnen zunehmend die Energie­infrastruktur angreifen, betont Selenski, dass Energoatom den Haupt­teil der Strom­produktion für sein Land liefere. In diesem Kontext und mitten im Krieg wirkt ein Gross­skandal im Energiebereich besonders heikel. Kritiker sehen darin einen Rückschlag im schwierigen Kampf gegen die Korruption, der auch ein Hindernis für die angestrebte europäische Integration der Ukraine darstellt.

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