Frankreichs künftige Mitte-Rechts-Regierung steuert bereits Stunden nach Verteilung der Schlüsselressorts auf eine interne Krise zu. Der in seinem Amt bestätigte Innenminister und Vorsitzende der konservativen Républicains, Bruno Retailleau, äusserte sich unzufrieden über die Zusammensetzung der neuen Regierung und kündigte eine Krisensitzung seiner Partei heute an. Spekuliert wird über einen Rückzug der Konservativen aus der mit dem Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron gebildeten Regierung, die bereits jetzt ohnehin keine Mehrheit im Parlament hat.
Retailleau hatte zuvor ein Drittel der Ministerposten für seine Partei verlangt und ist über die Rolle und das Gewicht der Konservativen in der neuen Regierung unzufrieden, berichtete der Sender rfi unter Verweis auf Parteiverantwortliche. Für Empörung bei den Konservativen sorgt demnach auch, dass der 2024 ausgeschiedene langjährige Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, der der Mitte-Partei von Macron angehört, überraschend zum Verteidigungsminister bestimmt wurde.
Warnung vor Ausstieg aus Regierung
Die ebenfalls im Amt bestätigte konservative Kulturministerin Rachida Dati warnte ihre Partei vor einem Ausstieg aus der Regierung. «In einem für das Land ernsten Moment dürfen die Républicains sich nicht aus der Verantwortung stehlen», schrieb Dati. «Nur wenige Stunden nach der Zustimmung zur Regierungsbeteiligung wieder auszusteigen, bedeutet, Chaos und Unordnung zu provozieren. Die Franzosen erwarten von uns Verantwortungsbewusstsein.»
Knapp vier Wochen nach seiner Ernennung hatte Frankreichs neuer Premier Sébastien Lecornu am Sonntagabend die Besetzung der Schlüsselressorts der künftigen Regierung vorgestellt. Die meisten bleiben in den Händen der bisherigen Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber.
Am Dienstag wird Lecornus Regierungserklärung erwartet. Dem Premier und seiner Regierungsmannschaft droht danach ein Misstrauensvotum der Opposition. Frankreich befindet sich in einer Haushaltskrise. Die Vorgängerregierung unter François Bayrou stürzte bei einer Vertrauensfrage im Streit um den geplanten Sparhaushalt. Das Land hat mit rund 3,3 Billionen Euro die höchsten Schulden in der Europäischen Union. (dpa)