
Was fordert die Initiative?
Erbschaften und Schenkungen ab 50 Millionen Franken sollen zu 50 Prozent besteuert werden. Dazu ein einfaches Beispiel: Bei einer Erbschaft von 60 Millionen Franken müssten 10 Millionen Franken besteuert werden, weil die ersten 50 Millionen steuerfrei sind. Bei einem Steuersatz von 50 Prozent fallen für den Fiskus also 5 Millionen Franken an. Bei einem Nachlass von einer Milliarde würden 950 Millionen Franken besteuert. Das macht dann 475 Millionen Franken für die Staatskasse. Die Initiative verlangt, dass davon zwei Drittel zum Bund fliessen und ein Drittel zu den Kantonen. Die Erbschaftssteuer kann nicht umgangen werden, in dem in den Jahren vor dem Ableben grosszügige Geschenke gemacht werden. Die neue Steuer gilt auch für Schenkungen.
Was soll mit der Steuer finanziert werden?
Die Juso nennt ihr Volksbegehren «Initiative für eine Zukunft». Die Einnahmen aus der neuen Steuer wären zweckgebunden und müssten für die «sozial gerechte Bekämpfung» des Klimawandels aufgewendet werden. Die Initianten argumentieren, dass die vermögendsten Personen am meisten vom kapitalistischen System profitierten, welches die Klimakrise verursacht habe. Zudem würden Superreiche mehr CO₂-Emissionen verursachen. Deshalb sollen sie auch für die Folgen bezahlen. Gemäss den Initianten wären in der Schweiz 2500 Personen von der neuen Steuer betroffen.
Gibt es heute keine Erbschaftssteuern?
Doch. Allerdings werden die Erbschaftssteuern in der Schweiz von den Kantonen erhoben und diese haben sie in den letzten Jahrzehnten reduziert. Die Steuersysteme sind kantonal unterschiedlich ausgestaltet. Ehepartner zahlen nirgends Erbschafts- und Schenkungssteuern. Die direkten Nachkommen wiederum müssen heute nur noch in drei Kantonen Steuern auf Erbschaften bezahlen: Waadt, Neuenburg und Appenzell Innerrhoden. 2022 nahmen Kantone und Gemeinden knapp 1,4 Milliarden Franken an Erbschafts- und Schenkungssteuern ein. Das sind rund 0,6 Prozent des gesamten Steueraufkommens bei Bund, Kantonen und Gemeinden.
Wie viel Geld soll die neue Erbschaftssteuer denn einbringen?
Die Initianten rechnen mit Mehreinnahmen von sechs Milliarden Franken. Der Bundesrat widerspricht dieser Zahl und warnt gar vor Steuerausfällen. In der Botschaft legt er dar, dass theoretisch Einnahmen von über vier Milliarden Franken möglich erscheinen. Allerdings geht er auch davon aus, dass die vermögenden Personen ihr Verhalten anpassen – etwa indem sie ins Ausland ziehen würden. Ein sehr grosser Teil der potenziellen Steuererträge ginge verloren. Dazu kommt, dass der Schweiz durch den Wegzug der Superreichen auch andere Einnahmen entgehen würden, nämlich aus der Einkommens- und Vermögenssteuer. In einem pessimistischen Szenario könnten die verbleibenden Erträge aus der Erbschaftssteuer bei nur 100 bis 650 Millionen Franken liegen, während gleichzeitig Steuerausfälle bei bestehenden Einkommens- und Vermögenssteuern in Höhe von 2,8 bis 3,7 Milliarden Franken entstehen könnten. Ein konservativeres Szenario des Bundesrats geht von Einnahmen zwischen 500 und 1,1 Milliarden Franken aus, gegenüber erwarteten Ausfällen von 1,3 bis 1,7 Milliarden Franken.
Der Bundesrat muss Massnahmen treffen zur Verhinderung von «Steuervermeidung». Wie geht das?
Bei einer Annahme müsste das Parlament auf Gesetzesstufe regeln, wie die Initiative umgesetzt wird. Die Initianten wollen verhindern, dass in diesem Fall die Superreichen einfach wegziehen, solange das Ausführungsgesetz nicht in Kraft ist. Deshalb beinhaltet die Initiative eine Übergangsbestimmung mit Rückwirkungsklausel. Das heisst, die neue Erbschafts- und Schenkungssteuer würde bei einem Ja sofort fällig – ab dem Abstimmungssonntag.
Ebenfalls in den Übergangsbestimmungen ist festgehalten, dass der Bundesrat Massnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidung treffen muss, insbesondere solche, die den Wegzug aus der Schweiz betreffen. Diese Massnahmen würden allerdings nicht rückwirkend in Kraft treten. Unklar ist, wie der Bundesrat den Wegzug von Reichen verhindern soll. Bereits als unverhältnismässig ausgeschlossen hat er Passentzug und Kapitalverkehrskontrollen. Auch einer Wegzugsteuer – beispielsweise von 50 Prozent auf dem Vermögen von über 50 Millionen Franken – steht der Bundesrat kritisch gegenüber, weil es sich um einen unverhältnismässigen Eingriff in die persönliche Freiheit handelt.
Als mögliches Instrument gegen die Steuervermeidung skizziert der Bundesrat folgende Massnahme: Eine Wohnsitzverlegung ins Ausland könnte nicht anerkannt werden. Stattdessen würde ein Wohnsitz in der Schweiz allein für die Erbschafts- und Schenkungssteuer fingiert werden. Würde die Person zum Beispiel fünf Jahre nach dem Wegzug sterben oder eine Schenkung machen, könnte die Schweiz aufgrund dieses fingierten Wohnsitzes die Steuer erheben. Bei diesem Modell gibt es aber auch zwei Probleme. Erstens müsste eine solche Wohnsitzfingierung zeitlich befristet werden. Zweitens müsste die Schweiz mit anderen Staaten Abkommen abschliessen, um die Steuer im Ausland überhaupt eintreiben zu können.
Wie viel Geld fliesst heute in die Bewältigung des Klimawandels?
Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Der Bund wendet rund zwei Milliarden Franken jährlich auf für den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger sowie die Bekämpfung des Klimawandels. Die Gelder fliessen etwa in den Ersatz von Ölheizungen, in Gebäudesanierungen oder auch in Dekarbonisierungsprojekte in der Industrie.
Brächte die Initiative tatsächlich mehr Geld ein, müsste das Parlament festlegen, wie es in den Klimaschutz investiert wird. In ihrem Argumentarium zählen die Initianten Investitionen in den öffentlichen Verkehr und Gebäudesanierungen als mögliche Massnahmen auf; klimaschädliche Sektoren sollen aufgegeben werden. Zudem: der Kapitalismus sei am Ende und müsse durch ein nachhaltiges Wirtschaftssystem ersetzt werden.
Wer befürwortet die Initiative, wer lehnt sie ab?
Die Fronten verlaufen nach dem klassischen Links-Rechts-Schema – mit einer Ausnahme. Für die Initiative sind SP, Grüne und Gewerkschaften. Dagegen kämpfen GLP, Mitte, FDP und SVP sowie die Wirtschaftsverbände. Aus der Reihe tanzt die Reformplattform der SP: Sie ist gegen die Juso-Initiative.
Was sind die wichtigsten Argumente der Gegner?
Im Vordergrund stehen zwei Argumente. Erstens die erwarteten Steuerausfälle, welche durch den Mittelstand aufgefangen werden müssten. Zweitens die Erschwernisse für die mittleren und grösseren Familienunternehmen. Sie könnten gezwungen sein, die Firma zu verkaufen, um im Fall einer Erbschaft die Steuerschuld überhaupt finanzieren zu können. Denn das Vermögen ist nicht liquide – sondern steckt im Unternehmen. Die Befürworter argumentieren, für Familienunternehmen könnte bei der Umsetzung eine Lösung gefunden werden. Zum Beispiel, indem die Erbschaftssteuer über mehrere Jahre abbezahlt werden kann.

Wie werden Erbschaften im Ausland besteuert?
Internationale Vergleiche sind schwierig, weil die einzelnen Länder sehr unterschiedliche Steuersysteme haben. Gemäss einer Erhebung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2021 machen die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer an den gesamten Steuereinnahmen 0,6 Prozent aus. Die Schweiz liegt damit im Mittelfeld der OECD-Staaten – wie die USA, Deutschland oder die Niederlande.
Die Gegner einer nationalen Erbschaftssteuer betonen, dass die Schweiz nebst Norwegen und Spanien der einzige OECD-Staat ist, der nebst einer Erbschafts- auch eine Vermögenssteuer kennt. Und diese ist bedeutender. 2022 nahmen die Kantone 5,536 Milliarden Franken an Vermögenssteuern ein, die Gemeinden 3,479 Milliarden Franken.