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Bürokratiekosten

Die Wirtschaftsverbände wollen gemeinsam gegen die Bürokratie kämpfen – doch damit hört der Konsens schon auf

Auf gut 30 Milliarden Franken beziffert eine neue Studie die vermeidbaren Kosten der Bürokratie. Doch sie klammert eine zentrale Frage aus.

Die Wehklagen über die Bürokratie gehören zum festen Repertoire der Wirtschaftsverbände. Seit Jahren beschweren sie sich über zu viel Regulierung, zu viele Auflagen, zu viele Formulare. Nun haben sie wissenschaftlich berechnen lassen, wie hoch die volkswirtschaftlichen Kosten der aus ihrer Sicht «unnötigen Bürokratie» sind.

Die Antwort des deutschen Ifo-Instituts und des Basler Büros BSS: Die Schweiz könnte mit mehr Effizienz und mehr Digitalisierung insgesamt Bürokratiekosten von über 30 Milliarden Franken pro Jahr einsparen. Die Entbürokratisierung, so der Befund der Wissenschafter, würde umgerechnet 55'900 Vollzeitstellen in Unternehmen und Verwaltung einsparen, was wiederum dem Fachkräftemangel entgegenwirken würde.

Im Vergleich zum Durchschnitt der Industrieländer aus dem OECD-Verbund hat die Schweiz vergleichsweise wenig Bürokratie und steht damit relativ gut da. Ein Argument, das Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder nicht gelten lässt, wie er am Montag vor der Presse in Bern ausführte. Ebenso wenig wie die oft gemachten Vergleiche mit Deutschland und Frankreich, bei denen die Schweiz immer besser abschneidet.

Die Verbandspräsidenten fordern weniger Bürokratie: Christoph Mäder (Economiesuisse), Fabio Regazzi (Gewerbeverband) und Markus Ritter (Bauernverband).
Bild: ALESSANDRO DELLA VALLE

Tatsache sei, dass verschiedene europäische Konkurrenzstandorte inzwischen in wesentlichen Bereichen bessere Rahmenbedingungen als die Schweiz anbieten würden, sagte Mäder und nannte etwa Schweden, Dänemark und Estland. «Wir müssen endlich aufwachen, vom hohen Ross heruntersteigen und einen objektiven Blick auf die relevanten Konkurrenzstandorte einnehmen.»

Grosse Differenzen bei der EU-Frage

Weniger Verordnungen, weniger Auflagen, weniger Beamte und einfachere Behördenzugänge: Bei diesen Forderungen demonstrierten Mäder und die Präsidenten des Gewerbeverbands, des Bauernverbands und des Arbeitgeberverbands, Fabio Regazzi, Markus Ritter und Severin Moser, bei ihrem gemeinsamen Auftritt vor den Medien grosse Einigkeit.

Doch das kann nicht über die unterschiedlichen Interessen der vier Verbände hinwegtäuschen. Es gibt viele kleine Differenzen, wie etwa bei der Kita-Finanzierung durch den Bund. Denn während hier Mosers Arbeitgeberverband dafür lobbyierte, kritisierte Regazzi diese hingegen als «Aushebelung des Föderalismus» und letztlich als Aufbau von unnötiger Bürokratie. Und es gibt grosse Differenzen, namentlich bei den neuen EU-Verträgen, also den Bilateralen III. Regazzi will keine Zahl nennen, aber geht bei einer Annahme von klar höheren Bürokratiekosten aus. Auch Ritter warnte in seinen Ausführungen vor allem vor höheren Kosten und weniger Selbstbestimmung. Offiziell haben der Gewerbe- und Bauernverband noch keine Parole gefasst, doch die grundsätzlich negative Haltung war klar erkennbar.

Anders beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der sich nach einer «Abwägung» der Vor- und Nachteile für das EU-Paket ausspricht. Vom gängigen Bürokratieargument jedenfalls, das gerne gegen die EU genannt wird, hält Mäder nichts. «Wir sind hier in der Schweiz selbst verdammt gut im Bürokratieaufbau. Dafür brauchen wir die EU nicht.»

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