
(6. 6. 2025)
Fast 100 Tage sind seit dem Bergsturz von Blatten vergangen: seit Gesteinsmassen ein ganzes Dorf im Lötschental unter sich begruben, seit sich die Lonza staute und die meisten restlichen Häuser, die vom Bergsturz verschont blieben, überschwemmte.
Mittlerweile hat sich der Pegel des Sees um drei Meter abgesenkt, wie Gemeindepräsident Matthias Bellwald am Mittwoch vor den Medien in Ferden VS sagte. Am nächsten Montag sollen dann die Arbeiten zur aktiven Seeentleerung starten. Das ist jedoch nur ein kleines Puzzleteil eines riesigen Wiederaufbau-Projekts, vor dem Blatten steht. Und dessen Konturen langsam Form annehmen.
Albert Rösti erhält bald Post
Am Mittwochnachmittag präsentierte der Staatsrat des Kantons Wallis den Fahrplan für den Wiederaufbau, den er zusammen mit der Gemeinde ausgearbeitet und verabschiedet hat. Es handelt sich um einen Aktionsplan mit 69 Massnahmen, die zwischen 2025 und 2029 umgesetzt werden sollen. Warum 2029? Das Ziel der Behörden lautet, dass ab diesem Jahr «das Gros der Blattnerinnen und Blattner» in ihr Heimatdorf zurückkehren kann. Bei Bewohnern von Häusern, die durch den Bergsturz nicht zerstört wurden, soll dies bereits nächstes Jahr der Fall sein. Diese Zielsetzung ist nicht neu, sondern entspricht den Ankündigungen, die Gemeindepräsident Bellwald bereits kurz nach der Katastrophe verlauten liess. Nun ist dieses Ziel offiziell fixiert.
Die Massnahmen des Aktionsplans dürften den Kanton 100 Millionen Franken kosten. Zu den wichtigsten Punkten zählen:
- Raumplanerische Massnahmen (0,5 Millionen Franken): Ein neuer Richtplan muss her. Unter anderem gilt es zu klären, inwiefern sich der Wiederaufbau mit dem Zweitwohnungsgesetz vereinbaren lässt. Der Walliser Umweltdirektor Franz Ruppen kündigte an, bald einen Brief an Bundesrat Albert Rösti zu schicken, um eine pragmatische Auslegung des Gesetzes zu fordern. «Es wird nicht möglich sein, alle Zweitwohnungen wieder in Blatten zu errichten», sagte Ruppen. Er schlägt daher vor, das gesamte Tal in die Planung einzubeziehen und einen Teil der Zweitwohnungen in anderen Gemeinden zu errichten.
- Schutz vor Naturgefahren (42,65 Millionen Franken): Von der Ausbaggerung von Ablagerungen bis zum Bau von Lawinenschutz hat der Kanton 21 Massnahmen identifiziert. Ausserdem gilt es laut Ruppen die Gefahrenkarte zu aktualisieren, um zu sehen, wo überhaupt gebaut werden kann – ein entscheidender Punkt, zu dem es keine Neuigkeiten gibt. Klar ist: Blatten wird nicht am gleichen Ort aufgebaut. Aber diverse, intakte Weiler könnten ausgebaut werden.
- Wiedererschliessung des Tals (31,5 Millionen Franken): Eine Notstrasse befindet sich bereits im Bau. Auch eine Seilbahnverbindung von Wiler zum Weiler Weissenried wäre ab Mai 2026 möglich. Zudem soll eine neue Kantonsstrasse geplant werden.
- Wirtschafts- und Tourismusförderung (13,5 Millionen Franken): Für neue Hotels, aber auch andere Betriebe wie Coiffeurshops sieht der Kanton je drei Millionen Franken vor.
Noch dieses Jahr soll das Walliser Parlament über das Paket befinden. Doch ist es realistisch, dass Blatten bis 2029 wieder steht – bei so vielen offenen Fragen? «Wir sind uns einig, dass es möglich ist», antwortete Finanzdirektorin Franziska Biner. Der grösste Unsicherheitsfaktor seien jedoch die Naturgefahren, welche das Tempo vorgeben.

(6. 6. 2025)
Dass es schnell gehen muss, hat auch versicherungstechnische Gründe. Zwar haben die Versicherungen nach eigenen Angaben bereits 75 Prozent der Versicherungssumme an die Besitzerinnen und Besitzer der zerstörten Häuser ausgezahlt. Um die restlichen 25 Prozent zu erhalten, müssen die Versicherten aber innert fünf Jahren eine neue Immobilie im Wallis kaufen oder bauen.
Die Blattnerinnen und Blattner wollen jedoch nicht irgendwo im Wallis in einem Haus leben, sondern in ihrem Dorf. Folglich eilt die Zeit beim Wiederaufbau, zumindest wenn die Versicherungen nicht doch noch einer erneuten Verlängerung der Frist zustimmen. Der Schweizerische Versicherungsverband liess bereits verlauten, dass noch nichts in Stein gemeisselt sei. Gegenüber CH Media bestätigte ein Sprecher am Mittwoch diese Haltung. Man warte die weiteren Entwicklungen und Gespräche ab.
Angesprochen darauf machte Gemeindepräsident Matthias Bellwald klar, dass er vorderhand gar keine Fristenstreckung fordert. Das sei kein Thema, denn er sei «sehr optimistisch», dass man den Zeitplan einhalten könne.
Bundesrat zieht positive Bilanz
Derweil hat sich auch der Bundesrat am Mittwoch mit Blatten beschäftigt. Dabei ging es nicht darum, neue Gelder zu sprechen – der Bund gewährte der Gemeinde bereits fünf Millionen Soforthilfe –, sondern Bilanz zu ziehen. Der Bundesrat verabschiedete den Bericht über den vierwöchigen Armee-Einsatz im Lötschental. Er zieht ein positives Fazit zur Zusammenarbeit mit den kantonalen Stellen.
Bis zu 90 Militärangehörige arbeiteten zwischen dem 29. Mai und dem 26. Juni gleichzeitig vor Ort. Insgesamt wurden 536 Diensttage und 31 Flugstunden geleistet. Der Bericht geht nun zur Genehmigung ins Parlament – wobei diese eine Formsache ist. Anders als der Wiederaufbau von Blatten.