Ralf E. Krüger, dpa
Liebhaber von Büchern des schwedischen Erfolgsautors Henning Mankell können sich auf eine neue Übersetzung freuen: «Daisy Sisters» - so der Titel - ist allerdings weder ein typischer Mankell-Krimi noch ein Afrika-Roman. Das
Kommissar Wallander kämpft mit seinem Gedächtnis
Henning Mankell hat zehn Jahre nach seinem «letzten» nun einen allerletzten Roman über den Polizeiinspektor Kurt Wallander geschrieben. Er sei wirklich überzeugt gewesen, vor zehn Jahren alles über Wallander geschrieben zu haben, sagte der Bestsellerautor der Zeitung «Svenska Dagbladet». Doch nun habe er das Gefühl gehabt, dass es noch etwas zu erzählen gebe. Der Roman wird am 18. August in Schweden erscheinen. Mankell berichtete, dass Wallander im neuen Buch Grossvater geworden ist. Er wird wieder aktiv, als die Schwiegereltern seiner Tochter Linda vermisst werden. «Es ist eine Art tiefe Tragödie und geht noch eine Stufe tiefer. Wenn Sie das Buch gelesen haben, ist Ihnen klar, dass ich nicht noch einmal über Kurt Wallander schreiben kann», sagte Mankell. An einer Buchmesse in Buenos Aires hatte er bereits im April die Fangemeinde beruhigt: «Keine Sorge, Wallander wird nicht sterben.» Der Ermittler werde in dem Roman von seinem langsam schwindenden Gedächtnis geplagt. Er habe viel über Gedächtnisleistungen nachgedacht, sagte Mankell. «Was ist es, was dich vergessen lässt, woran du dich erinnern müsstest, und was erinnert dich gerade an das, was du lieber vergessen würdest?» Mankells Romane haben eine Auflage von mehr als 30 Millionen und sind in über 40 Sprachen übersetzt. Viele wurden verfilmt. (dpa)
In «Daisy Sisters» geht es um Frauen mit Jugendträumen von grenzenloser Freiheit und einem besseren Leben. Im Zentrum der Handlung, die sich in Zeitsprüngen über 40 Jahren von 1941 bis 1981 abspielt, steht die Schwedin Eivor Skoglund. Ihre Mutter, die junge Arbeitertochter Elna, war eine der beiden «Daisy Sisters». So hat sie sich und eine Brieffreundin bei einer Fahrradtour im dritten Kriegsjahr 1941 übermütig genannt. Ein junger Grenzsoldat vergewaltigt dabei die betrunken gemachte Elna - und neun Monate später zerstört die Geburt von Tochter Eivor alle Träume der jungen Frau.
Die Geschichte wiederholt sich in ähnlicher Weise Jahre später, nachdem Eivor bei einem verzweifelten Ausbruch aus der spiessigen Welt ihres Dorfes mit einem Kleinkriminellen durchgebrannt ist. Auch sie wird bei der Suche nach einer besseren Welt nach einen Ausbruch männlicher Gewalt schwanger und landet trotz allen Träumen und Ausbruchsversuchen ernüchtert in einem Leben, das sie wie eine einzige Plage empfindet.
Eingebettet in die gesellschaftlichen Strömungen der jeweiligen Zeit skizziert Mankell Eivors Leben von ihrer Zeugung bis zu ihrem 40. Geburtstag. Es ist ein faszinierendes Buch, das man je nach Blickwinkel als Frauenbuch oder auch einfach als Sozialroman lesen kann. Obwohl bereits 1982 geschrieben, ist es noch heute aktuell.
In seiner eigenen, kompromisslosen Sprache transportiert Mankell seine Kernbotschaft, dass der Mensch zuerst die gesellschaftlichen Einflüsse wahrnehmen muss, die ihn prägen. Mit Blick auf Elna meint er: «Sie ist kein Satellit, der einsam seine Bahn zieht, sie ist Teil eines Zusammenhangs. Und ehe sie das nicht einsieht und anfängt, Erklärungen dafür zu suchen, was um sie herum geschieht, wird sie wie eine Beinamputierte durchs Leben robben, der man die Krücken geklaut hat.»
Henning Mankell «Daisy Sisters». Zsolnay, Wien 2009. 558 S., Fr. 41.90.
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