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Pop

Weshalb Präsident Nixon und
das FBI John Lennon jagten und ihn des Landes verweisen wollten

Der Dokumentarfilm «One to One» beleuchtet John Lennon und Yoko Ono in ihrer Wahlheimat New York und ihre letzten Konzerte. Der Film wirkt wie eine Zeitkapsel aus den politisch aufgeladenen und gesellschaftlich zerrissenen 1970er-Jahren.
Sorgerechtsstreitigkeiten um Kinder und politischer Druck: Für Yoko Ono und John Lennon war die Zeit in New York eine Herausforderung.
Bild: Xenix Filmdistribution

1971, ein Jahr nachdem die Beatles sich getrennt hatten, siedelten John Lennon und Yoko Ono von London nach New York um. Als Grund für den Heimatwechsel gab das Paar die frauen- und fremdenfeindlichen Attacken an, welche die britische Presse gegen Yoko Ono gefahren hatte. Seitdem die japanische Konzeptkünstlerin in den engeren Kreis der Beatles vorgedrungen war, wurde sie als hässlich und manipulativ verschrien. Ihr wurde sogar die Auflösung der Beatles zugeschrieben.

Der Dokumentarfilm «One to One» handelt von den Ono-Lennons ersten 18 Monaten in New York, er verdankt seinen Titel den gemeinsam bestrittenen Benefizauftritten im Madison Square Garden vom 30. August 1972. Diese sollten John Lennons letzte reguläre Konzerte werden: Danach betrat er die Bühne nur noch auf Einladung befreundeter Musiker. Und das auch immer nur kurz.

Die Regisseure Kevin Macdonald und Sam Rice-Edwards präsentieren Lennon als routiniert elektrisierenden Performer, der auch seine besten Songs live zu veredeln weiss. Das vertonte Psychodrama «Mother» und die utopisch angehauchte Ballade «Imagine» werden in «One to One» packend interpretiert. Hier singt Lennon von den Dingen, die ihm wichtig sind. So kommt sein Friedensmantra «Give Peace a Chance» auch wie eine wuchtige Gospel-Nummer daher.

Ein reines Konzertdokument ist «One to One» aber nicht geworden. Virtuos polstern Macdonald und Rice-Edwards Lennon und Onos Auftritt mit Werbespots, Nachrichtenbulletins und Talkshow-Fragmenten sowie Ton- und Videoschnipseln aus ihrem Privatarchiv aus. Diese clevere Montage macht den Film zur Zeitkapsel aus den politisch aufgeladenen und gesellschaftlich zerrissenen 1970er-Jahren.

Aktionistischer Eifer – künstlerischer Tiefpunkt

Man erinnert sich: Unter dem republikanischen Präsidenten Richard Nixon wurden die Bürgerrechte zurückgefahren, viele amerikanische Grossstädte steuerten auf den Kollaps zu, und in den Gefängnissen sassen Tausende Menschen wegen Kleinstvergehen jahrelange Haftstrafen ab. Indes ging der Krieg in Vietnam, der die amerikanische Gesellschaft schon seit den 1960er-Jahren spaltete, ohne Aussicht auf ein friedliches Ende weiter.

Nach ihrer Ankunft in New York wurden Lennon und Ono von vielen mehr oder weniger wichtigen Figuren der amerikanischen Gegenkultur umschwärmt, die das illustre Paar in die eigenen politischen Kampagnen einbinden wollten. Die Beiden gefielen sich gut in ihrer neuen Rolle als medienwirksame Agitatoren, verloren in ihrem aktionistischen Eifer aber ihren künstlerischen Elan. Das 1972 erschienene Doppelalbum «Some Time in New York City» gilt nicht umsonst als Tiefpunkt ihrer langen Kollaboration.

John Lennon und seine Frau Yoko Ono 1971.
Bild: Mirrorpix

Fernab der politischen Bühne hatten Ono und Lennon gravierende persönliche und juristische Probleme. Yoko Ono versuchte verzweifelt, das Sorgerecht für ihre kleine Tochter Kyoko zu ergattern, die von ihrem ehemaligen Lebenspartner entführt worden war. Indes drohte John Lennon die Ausweisung aus den USA. Um dieses Ziel zu erreichen, war der Bundespolizei FBI jedes Mittel recht: Sie hörte die Telefongespräche der Ono-Lennons ab – und unterstellte ihnen sogar die Planung einer Störaktion bei der Delegiertenversammlung der Republikanischen Partei Amerikas in Miami Beach.

Am 7. November 1972 wurde Richard Nixon, der die Jagd auf Lennon persönlich vorangetrieben haben soll, mit grosser Mehrheit im Amt bestätigt. Als Folge dieses Wahlsiegs drohte der Watergate-Skandal, den er als Schmierenkampagne verunglimpft hatte, zur Randnotiz der amerikanischen Geschichte zu verblassen. In «One to One» lachen ein Fernsehmann und ein Nixon-Berater über die angebliche Lächerlichkeit der Abhöraffäre, die schliesslich in einem Amtsenthebungsverfahren enden sollte.

Trennung, Rückzug und Ermordung

Als der Vietnamkrieg 1975 endlich zu Ende ging, war Richard Nixon bereits als Präsident zurückgetreten. John Lennon verstummte wenig später. Angeblich wollte er sich fortan um seinen kleinen Sohn Sean kümmern, während Yoko Ono sich den Familienfinanzen widmete. Man vermutet, dass die beiden ausgebrannt waren. Die langen Gerichtsverfahren um Onos Tochter und Lennons Bleiberecht in den USA hatten sich in einer langen Serie von persönlichen Zerreissproben eingereiht, die 1973 in einer mehrmonatigen Trennung gemündet war.

Weiss man um die Fortsetzung dieser Geschichte, wirken die in «One to One» dokumentierten Ereignisse wie das Vorspiel zu einem Burn-out. Von diesem sollten sich die Ono und Lennon nur schleppend erholen. Und gerade als sie mit dem Album «Double Fantasy» künstlerisch wieder Tritt gefasst hatten, wurde John Lennon am 8. Dezember 1980 von einem geisteskranken Beatles-Fan ermordet. Auch das ist eine New Yorker Geschichte.

One to One – John & Yoko , USA 2024. Regie: Kevin Macdonald und Sam Rice-Edwards. Mit John Lennon, Yoko Ono u. a. Länge: 100 Minuten. Im Kino.

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