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Kunst

Was ist ein Bild? Was ist ein Rahmen? Antworten gibt es in Solothurn

Das Kunstmuseum Solothurn präsentiert die Schweizer Künstlerin Susan Hodel (50). Sie arbeitet mit leeren Leinwänden, Schlangenhäuten und Konservendosen – hochartifiziell, durchdacht und doch sinnlich.

Karg und sparsam ist Susan Hodel. Fast scheint es, als ob die 50-jährige Künstlerin einfach die Öl- oder Acrylfarben weggespart habe für ihre Gemälde und Bildtafeln. Denn die Werke im ersten grossen Parterre-Saal bestehen nur aus roher Leinwand oder allenfalls aus Leinwandtafeln mit der typischen weissen Leimgrundierung. Und um polemisch weiterzufahren: Manchmal hat sich Hodel doch noch ein übliches Zeichnungsmaterial geleistet und mit Bleistift Raster über die grundierten Flächen gelegt.

Aber genug verbal gelästert! Was in der Beschreibung wie ein Mangel erscheint, ist zuerst für die Augen und später fürs Gehirn ganz schön spannend. Das Grau der beiden grossformatigen Bilder im ersten Saal ist – obwohl rohe Leinwand – durch Faltung und leichtes Zerknittern nicht ohne Reiz.

Auffällig sind die «Rahmen»: Was von weitem aussieht wie breite und tiefe Rahmungen mit vielen Kerbungen, entpuppt sich als von Hand zusammengenähte Streifen von weiss bemalter Leinwand. Die Werke wirken so wie Reliefs, bekommen Tiefe und eine karge Schönheit. «Susan Hodel geht mit diesen, ihren neusten, Werken der Malerei auf den Grund», sagt Museums-Direktor Christoph Vögele. «Und weil das Material bei ihr so wichtig ist, agiert sie gekonnt zwischen Malerei und Objekt.»

Unfertig wirken die nur mit weisser Kreide grundierten, sorgfältig geschliffenen Leinwände nicht, sie entfalten vielmehr eine eigene karge Schönheit. «Braucht es die Farbe überhaupt? Das habe ich mich nach einer Reihe früherer Werke gefragt», sagt Susan Hodel. So habe sie den Materialreiz entdeckt – und ihn gekonnt ausgereizt, mag die Betrachterin ergänzen.

Frappant ist hier – wie auch bei ihren weiteren Arbeiten – wie sich die Bilder je nach Distanz verändern. Von Nahem wirken die eng gelegten Bleistift-Raster über den weissen Gründen streng und regelmässig. Doch je weiter weg die Betrachterin steht, desto weicher erscheinen sie, desto stärker treten malerische, wolkige Erscheinungen zutage. «Der Kreidegrund bleibt trotz Schleifen immer leicht rau und so werden die Graffit-Linien unregelmässig. Das bewirkt diese Effekte», erklärt Hodel.

Gilt der erste grosse Saal dem Thema «Leinwand und Grundierung», so haben Vögele und Hodel den zweiten für sich mit «Räumlichkeit» überschrieben. Als Blickfang glänzt eine silberne Metallarbeit der Besucherin entgegen. Hodel hat Konservenbüchsen in Streifen geschnitten und dieses ärmliche Material zu einem sperrigen und doch edel wirkenden Teppich verwoben. Gegenüber fasziniert eine wandgrosse Bleistiftzeichnung. Kleine Kreuze sind zu einem unregelmässigen Raster gelegt (siehe Foto). Was liegt ihm zugrunde? «Ein Zufallsmuster aus Gummiringen», erklärt Susan Hodel. Sie habe Gummiringli («die eben nie ganz rund sind») nebeneinander auf einem A3-Blatt ausgelegt und ihre Form wie Lage mit einem Durchmesser-Kreuz notiert. Aus Chaos wurde Ordnung.

Ordnen, verbinden, in ein zusammenhängendes Ganzes bringen scheint eine Lieblingsbeschäftigung der Künstlerin zu sein. Wie anders wäre zu erklären, dass sie aus gelb eingefärbten, aber unregelmässigen Schlangenhäuten, wie sie die Mode-Industrie verwendet, Tafeln formen kann, die exakt im rechten Winkel sind? «Die unregelmässigen Kanten der Schlangenhäute habe ich beim Aufkleben immer wieder etwas korrigiert, damit sie schön aneinanderstossen.» Wer Ordnung will, muss der Natur nachhelfen. Und wer die Natur, die Kunst und ihre Materialien achtet, verwendet auch die Nebensächlichkeiten, die Resten. Beispielsweise die Abschnitte der Schlangenhäute. Hodel bringt auch diese wieder in Ordnungen und schafft grossteilige Gitterstrukturen daraus.

Im dritten Saal ist sie da, die Farbe. Mal fein lasierend als schmale lebendige Streifenmuster auf den weiss grundierten Leinwänden, mal dick und überaus satt auf sich unter dem Material aufwerfenden Papieren. Fünf und fünf hängen diese starkfarbigen je von einem Grundton getragenen Blätter in tiefen Rahmen. «Fünf Farben legt sie übereinander: blau, weiss, braun, schwarzbraun und gelb. «Weil es Aquarellfarben sind, löse ich bei jedem Strich den Untergrund wieder etwas auf. Eigentlich ist es eine unmögliche Technik», sagt Hodel. «Beim Arbeiten entstehen so Überraschungen. Das macht mir Freude.»

Susan Hodel ist in Lostorf aufgewachsen, ist im Kanton Solothurn als Künstlerin gross geworden und lebt heute in Zürich. Dass sie in Solothurn eine Einzelausstellung bekommt, passt zum Programm des Museums. Direktor Christoph Vögele konzentriert sich auf Schweizer Kunst und präsentiert gerne Künstlerinnen und Künstler, die ein eigenständiges, gereiftes Werk aufweisen, aber im Kunsthandel-Rummel eher vergessen gehen. Hodel, die in Solothurn 1999 in einer Dreier-Ausstellung erstmals grösser gezeigt wurde, ist eine solche Schafferin im Hintergrund. Eine Entdeckung.

Susan Hodel Dazwischen. Kunstmuseum Solothurn, bis 12. Mai. Vernissage: Sa 23. Februar, 17 Uhr.

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