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Popkultur

Warum zur Hölle gibt es eigentlich noch Kinderstars?

Die neue Doku-Serie «Quiet on Set: The Dark Side of Kids TV» schockiert mit Enthüllungen über Missbrauch beim Kindersender Nickelodeon. Sollten Kinderstars verboten werden?

Seit Filme existieren, gibt es in Hollywood Kinderstars. Doch für Ruhm und Reichtum bezahlen viele einen hohen Preis. Ein kleiner, deprimierender Überblick:

Das neuste Beispiel ist Drake Bell. Diese Woche erschien die Doku-Serie «Quiet on Set: The Dark Side of Kids TV», in der gezeigt wird, welche kranken Sachen Ende der Neunziger- und Nullerjahre hinter den Kulissen des Kindersenders Nickelodeon abgingen. Rassismus, Sexismus, Bodyshaming und allen voran Missbrauch. Gleich mehrere Kinderschänder arbeiteten an Filmsets mit minderjährigen Schauspielern wie Bell.

Der Ex-«Drake & Josh»-Star hat nun zum ersten Mal erzählt, dass ein Sprachcoach des TV-Senders sich an ihm vergriff, als er 15 Jahre alt war: «Stell dir das Schlimmste vor, was du dir im Bereich von sexuellem Missbrauch vorstellen kannst. Das ist mir passiert.»

Es ist kein Gerücht, dass er enthüllt. Der Fall kam vor Gericht, und Täter Brian Peck wurde verurteilt – zu 16 Monaten Haft. Doch das Opfer blieb bisher anonym. Bell machte sich später selbst strafbar und wurde wegen Sexting mit einem 15-jährigen Mädchen zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Sein eigenes Trauma ist keine Entschuldigung für das. Aber vielleicht ist es eine Erklärung.

Ex-Nickelodeon Star Drake Bell.
Bild: Bild: Keystone

Aber ich frage mich: Gibt es eigentlich Kinderstars, die ohne Schaden davongekommen sind? Die Olsen-Zwillinge haben Hollywood den Rücken gekehrt – nachdem Mary-Kate wegen Magersucht behandelt wurde und erwachsene Männer online auf ihren 18. Geburtstag hinfieberten, weil sie dann nicht mehr minderjährig waren.

Jodie Foster steht vor der Kamera, seit sie drei Jahre alt war, und ist auch heute noch eine erfolgreiche Schauspielerin – nachdem Attentäter John Hinckley von ihr besessen war und 1981 Ex-Präsident Ronald Reagan anschoss, um sie zu beeindrucken.

Und den Stars der «Harry Potter»-Filme scheint es gut zu gehen – nachdem Daniel Radcliffe ein Alkoholproblem entwickelte und Paparazzi Emma Watson unter den Rock fotografieren wollten.

Also was tun? Soll man Kinder vor der Kamera verbieten? Schwierig umzusetzen. Und es gibt ja auch welche, die gerne schauspielern. So wie «Full House»-Star Jodie Sweetin, die mit fünf Jahren als Stephanie berühmt wurde – und es liebte, wie sie schon mehrmals betonte. Der Grund: ihre Eltern, die sie nie zu dem Job gezwungen und sie immer unterstützt haben. Und das scheint ein wichtiger Punkt zu sein.

Die Stars von «Full House» mit Jodie Sweetin unten rechts. Das Baby ist übrigens eine der Olsen-Zwillinge, die ab dem Alter von sechs Monaten vor der Kamera standen.
Bild: Bild: Imago

Mehr als genug Eltern wollen ihre Träume vom Berühmtwerden durch ihre Kinder ausleben. So wie bei Ex-Nickelodeon-Star Jennette McCurdy. Die Schauspielerin aus «iCarly» wurde von ihrer Mutter kontrolliert, zu Castings geschleppt und in eine Essstörung getrieben. Nach ihrem Tod, schrieb McCurdy ein Buch über ihr Trauma mit dem vielsagenden Titel «Ich bin froh, dass meine Mutter starb». Sie hofft, dass Eltern, die ihre Kinder vor die Kamera schicken wollen, ihr Buch lesen und es sich anders überlegen.

Wurde mit «iCarly» zum Star: Jennette McCurdy.
Bild: Bild: Keystone

Denn auch gute Eltern sind keine Garantie. Jodie Sweetin stürzte trotzdem in Alkohol und Drogen ab – aber erst, nachdem «Full House» endete. Doch sie glaubt, es hätte viel schlimmer kommen können, hätte es damals schon Social Media und das Internet gegeben: «Ich kann mir nicht vorstellen, wie heutige Kinderstars all diese Aufmerksamkeit und Kritik bekommen. Jeder will wissen, wen man datet und wie man aussieht. Das hätte mich zerstört.»

Kein Wunder. Ständige Kommentare, ständiges Belagern, ständige Kritik? Und ganz nebenbei ist es eigentlich auch vollkommen gestört, wie wir erwachsene Promis glorifizieren oder beschimpfen. Aber Kinder?

Mara Wilson wurde mit fünf Jahren berühmt und setzt sich heute für Kinderstars ein.
Bild: Bild: Keystone

Mara Wilson wurde als kleines Mädchen in «Mrs. Doubtfire» und «Mathilda» weltberühmt – und wurde in Kinderpornos hinein gephotoshoppt. In einem Interview sagte sie kürzlich: «Ich denke, man kann ein gesundes Kind sein, das schauspielert. Aber ich persönlich glaube nicht, dass man ein komplett gesunder Kinderstar sein kann. Man kann nicht weltberühmt sein, ohne dass es etwas mit einem macht.»

Also warum gibt es überhaupt noch Kinderstars? Warum hypen wir Kinder, weil sie gute Schauspieler sind, oder hassen sie, wenn wir sie für nicht gut genug halten? Und warum kümmert es uns überhaupt? Klar, wenn andere Kinder sie toll finden, ist das kein Problem. Wenn Erwachsene sich mit ihnen beschäftigen, kann es ganz schnell eines werden.

Genau aus diesem Grund werden beispielsweise die Namen der Synchronsprecher, die den Kindern der erfolgreichen Cartoonserie « Bluey » ihre Stimmen geben, von den Machern geheim gehalten. Um sie und ihre Privatsphäre zu schützen. Bei einem Cartoon ist das zugegebenermassen ziemlich einfach, aber davon könnte sich trotzdem jeder eine Scheibe abschneiden.

Ja, Kinderschänder müssen von Filmsets – oder jedem anderen Ort auf dieser Erde – verschwinden. Ja, Eltern müssen für ihre Kinder da sein. Aber auch Zuschauer müssen sich an der eigenen Nase nehmen und Kinderschauspieler Kinder sein lassen – die manchmal gerne schauspielern, wenn sie Bock darauf haben.

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