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Angstlust

Vor 113 Jahren sank die «Titanic» – eine Multimedia-Show macht den Untergang zum Event

Vom 14. auf den 15. April sank der Ozeanriesen Titanic im Nordatlantik. Eine immersive Wanderausstellung macht es möglich, dass man mit ihm untergeht. Ein makabres Vergnügen.
Selfie-tauglich: die deutsche Sängerin Sarah Engels auf dem Bug der Titanic.
Bild: Imago / Ying Tang

Elf Oscars und 131 Millionen Zuschauer allein in den USA. Das war die Bilanz von James Camerons Film «Titanic» aus dem Jahr 1997. Die Liebesgeschichte zwischen den Jungstars Leonardo DiCaprio und Kate Winslet rührte zu Tränen. Nie zuvor wurde so drastisch gezeigt, wie das als unsinkbar geltende Schiff auf seiner Jungfernfahrt vom 14. auf den 15. April 1912 unterging.

Die Verkettung unglücklicher Umstände sowie Fehlentscheide, die zum nächtlichen Untergang und zum Tod von über 1500 Menschen im eiskalten Nordatlantik führten, trugen zur Legendenbildung bei. Das Unvorstellbare und zugleich die Faszination des Unglücks sind bis heute im kollektiven Gedächtnis geblieben. Eben weil die RMS (für Royal Mail Ship) Titanic als unsinkbar galt, weil sie ein Schiff der Superlative war und weil ihre erste Fahrt von Southampton nach New York zugleich ihre letzte war.

Das ist sicher ein Grund für den Besucherandrang der auf Edutainment basierenden weltweit tourenden «Titanic»-Ausstellung, die gerade in Köln zu sehen ist. Ein zweiter dürfte das immersive Erlebnis jenseits eines traditionellen Museumsbesuchs sein. Es ermöglicht, den schnellen Untergang des Ozeanriesen in einer Simulation vom Rettungsboot aus «live» mitzuerleben bzw. zu «überleben».

Zusammen mit dem virtuellen 3D-Erlebnis, bei dem man am Ende der Ausstellung mit Hilfe einer VR-Brille in das Innere des historischen Passagierschiffs und in sein Grab «abtauchen» kann, bildet dies den Höhepunkt dessen, was die belgische Produktionsfirma Exhibition Hub als «immersive Reise» bezeichnet.

Erste Eisberg-Meldungen erreichen die Titanic.
Bild: Claudia Ganitta

Seit ihrer ersten multimedialen Van-Gogh-Ausstellung im Jahr 2017 hat sich das Unternehmen auf die Entwicklung immersiver Erlebnisse mit 360-Grad-Projektionen und Virtual-Reality-Erfahrungen spezialisiert. Die Besucherinnen und Besucher kommen in Scharen.

Selfie als Kate alias Rose

Es wundert nicht, dass die Ausstellung mit dem Traumpaar aus dem Kultfilm von 1997 beginnt, das den Untergang des Luxusliners auch für die jüngere Generation unsterblich gemacht hat. Neben den Filmplakaten und einem riesigen Schiffsmodell zieht eine Attrappe des Bugs die Blicke auf sich. Sie ist ein beliebter Selfie-Treffpunkt, denn hier kann man sich in bester Rose-und-Jack-Manier halb über die Brüstung «an Deck» lehnen, um es dem Paar von damals gleichzutun.

Daneben erzählen Schautafeln, Baupläne und Filme die Geschichte der «Titanic» als technisches Wunderwerk zu einer Zeit, als sich die Reedereien ein Wettrennen lieferten, um möglichst viele Passagiere über den Atlantik zu befördern. Auch die Rolle der Schwesternschiffe Olympic und Britannic sowie des Rettungsschiffs Carpathia, das als erstes Schiff den Notruf der «Titanic» empfing und Kurs auf das sinkende Schiff nahm, wird beleuchtet.

Mittendrin statt nur dabei: Im Rettungsboot kann man dem Untergang der Königin der Meere zuschauen.
Bild: FUNKE Foto Services/ Andreas Buck

Zwischen 1870 und 1920 zogen mehr als 25 Millionen Einwanderer in die Vereinigten Staaten. Allein 1907 waren es 1,5 Millionen Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben über die Quarantäne-Insel Ellis Island nach New York einreisen wollten. Hinzu kam eine wachsende Zahl amerikanischer Millionäre, die den Atlantik kreuzten auf der Suche nach Kunst, Kultur und neuen Geschäftsmöglichkeiten in der Alten Welt.

Es war das Goldene Zeitalter der Schifffahrtslinien, die sich nach einer anfänglichen Priorisierung des Frachtverkehrs zunehmend auf den Bau von Passagierschiffen konzentrierten. 1907 beschloss die White-Star-Line-Reederei, die drei grössten Schiffe der Welt zu bauen. Ihr Fokus sollte nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf Luxus liegen.

Mehr als 300 Exponate zeugen davon. Darunter ein Zigarettenspender in Form einer Champagnerflasche, Spielkarten, Aschenbecher, Porzellangeschirr, Silberbesteck, Briefumschläge, Tischdecken und andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die zum Inventar der Reederei gehörten. Nur wenige Originale sind zu sehen.

So unter anderem ein Stück Kohle aus dem Maschinenraum mit deutlichen Brandspuren oder eine Speisekarte der dritten Klasse. Steuert man auf die vermeintlich echten Rettungswesten zu, liest man ernüchtert: Die eine stammt aus dem «Titanic»-Film von 1956, die andere aus dem Remake von 1997. Dennoch geben auch sie mit den Objekten der beiden Schwesternschiffe, die wie die «Titanic» ebenfalls unter der Flagge der Reederei White Star Line fuhren, einen guten Einblick vom Leben an Bord.

Aus dem Unglück Profit schlagen

Vorbei an realitätsnahen Nachbauten und Fotografien von Speiseräumen, Salons und Schlafkabinen geht es weiter zum szenischen Untergang, dem die Besucher vom Rettungsboot aus ergriffen zusehen. Das letzte Kapitel widmet sich der Aufarbeitung der Katastrophe, der Einrichtung von Hilfsfonds für die Hinterbliebenen und dem weltweiten Gedenken. Ganze Wände aus Zeitungsartikeln, an denen Lupen zum besseren Lesen angebracht sind, zeigen die globale Berichterstattung über das «Titanic Disaster», bei dem insgesamt nur 712 Menschen gerettet werden konnten.

Souvenirs im Titanic-Shop.
Bild: Claudia Ganitta

Bis heute ist der Hype um die «Titanic» ungebrochen. Spielzeug und Merchandise generieren schätzungsweise jährlich mehr als 500 Millionen Dollar Umsatz. Dass man aus dem Unglück Profit schlagen kann, haben auch die Macher der Ausstellung erkannt, denn der Weg hinaus führt durch den Souvenirshop. Hier gibt es neben den üblichen Sweatshirts, Mousepads und Baseballcaps auch den Salatteller der 1. Klasse, den Turnbeutel in Titanic-Blau und eine Badeente im Offizierslook. Und: Top, die Wette gilt, dass auch die ihre Abnehmer findet.

«Titanic» – Eine immersive Reise. Bis 29.6. in Köln.

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