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Nachruf

Der Minimalist, der zum Maximalisten wurde: Frank Stella ist mit 87 Jahren gestorben

Der amerikanische Künstler hat die Abstraktion radikalisiert. Seine Bilder sollten stets für für sich sprechen, doch provokante Titel wie «Arbeit macht frei» polarisierten. Am Samstag ist Frank Stella gestorben.
Frank Stella besuchte 2015 Basel für eine umfassende Ausstellung.
Bild: Bild: Roland Schmid

Manchmal ist es simpel, selbst in der Kunst: «Sie sehen, was Sie sehen.» Dieses eingängige Zitat stammt von Frank Stella, dem Künstler, der sich immer wieder neu erfand. Der Minimalist, der zum Maximalisten wurde. Der das Schwarz gegen Farben tauschte, die phasenweise sogar leuchteten. Der sich von der Leinwand löste und mit monumentalen Reliefs und schliesslich Skulpturen in den Raum griff.

Wohin er sich mit seiner Kunst bewegte, begleitete ihn der Ausspruch aus einem Künstlergespräch mit Donald Judd und Kritiker Bruce Glaser. Mal wurde es ihm als persönliches Motto zugeschrieben, mal als Mantra für das gesamte Genre der ungegenständlichen Malerei interpretiert.

Mit radikalem Schwarz hat er die Kunstwelt provoziert

Frank Stella, am 12. Mai 1936 in Massachusetts geboren, verstarb am Samstag, eine Woche vor seinem 88. Geburtstag, in Manhattan. Der Maler und Bildhauer erlag dem Krebs, wie seine Ehefrau Harriet McGurk mitteilte.

Bereits mit Anfang zwanzig sorgten seine Bilder für Aufsehen. Seit Kasimir Malewitsch 1915 die Kunstwelt mit einem schwarzen Quadrat auf den Kopf stellte, sie in knapp 80 auf 80 Zentimetern von sämtlichen gegenständlichen Versprechen befreite, ist klar: Kaum etwas ist radikaler als simples Schwarz.

So begann Stellas Karriere in den 1950er-Jahren, nach einem abgeschlossenen Geschichtsstudium an der Eliteuniversität Princeton, mit schwarzer Farbe. Zehn Jahre später provozierte er mit Werken in ähnlichem Duktus. Blasse Linien durchziehen das Schwarz, sie malen ein geometrisches Gitter auf die Fläche. Wer den Titel der Serie liest, schluckt: Mit «Arbeit macht frei» greift er die vernichtend zynische Phrase auf, die über dem Eingang des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Auschwitz prangte. Über die Absicht lässt sich lange rätseln.

Es gibt in der Malerei nichts mehr zu erzählen

In seiner radikalen Abstraktion wollte sich Frank Stella der Narration entziehen. Damit gilt er als Begründer der Minimal Art und Hard Edge. Seine Werke solle man als spezifische Objekte begreifen, - eben sehen, was man sieht. Und man sieht, gewiss. Die Titel, die Stella seinen Bildern gab, lassen hoffen, dass es mehr zu sehen gibt, als der erste Blick freigibt.

«Sie sehen, was Sie sehen», sagte Frank Stella über seine Kunst.
Bild: Bild: Vahid Salemi/AP

Bald machte der amerikanische Künstler den Schritt von Wand und Leinwand fort, weg vom Schwarz zur Farbe. Ein Bildband über die Holzarchitektur von Synagogen, die im Zweiten Weltkrieg verbrannt wurden, war Inspiration für die umfangreiche Serie «Polish Village». Wie vielschichtige Grundrisse heben sich die farbigen Strukturen von der Fläche. Bunt, fast poppig lässt in den frühen 1970er Jahren nur der zweite Blick an Kohle und Asche denken und erinnert dennoch an das Zerstörte.

Eine Vergrösserung eines dieser Werke soll für die Fassade des Neubaus der in der Kunstwelt gut vernetzten Diener & Diener Architekten für das Jüdische Museum Schweiz in Basel angefertigt werden. Bei der Projektvergabe hatte man noch gehofft, dass der Künstler bei der Eröffnung anwesend sein könnte.

Bei ihm zu Hause hing kein einziges eigenes Bild

Im Frühjahr 2015 besuchte Frank Stella Basel für eine umfassende Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst. Die Werke des Amerikaners, der gleich zwei Retrospektiven im Museum of Modern Art vorweisen kann, sind auch hierzulande in zahlreichen Sammlungen repräsentiert.

Mit Mitte 80 habe Frank Stella alles gemacht - was andere darüber dächten, kümmere ihn nicht allzu sehr. Dies schrieb die New York Times , als sie ihn 2019 noch zu Hause besuchte, wo er die Redakteure in Hausschuhen empfing.

Frank Stella war auch Sammler. Er besass Werke von Wegbegleitern, Zeitgenossen und Vorbildern wie Kenneth Noland. Sein Haus sei vollgepackt mit Kunst, bloss nicht mit seiner eigenen. Darauf angesprochen sagte er: «Es ist schön, nach Hause zu kommen und Bilder anzuschauen. Ich muss mir nicht meine eigenen Bilder ansehen. Für mich ist das eine Erleichterung.»

Wir aber werden auch nach dem Tod von Frank Stella sehen, was uns der Revolutionär der Abstraktion sehen lassen wollte.

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