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Sprachliche Moden und Marotten

Über die schöpferische Kraft von Fehlern

Nicht immer sind Fehler schlecht. Manchmal entstehen durch sie gar witzige Sprachbilder, wie unser Autor Pedro Lenz in seiner aktuellen Kolumne schreibt.
Fehler gelten in der Managerwelt heute nicht mehr als absoluter Kündigungsgrund
Bild: Fotolia

Aus dem Bereich von Wirtschaft, Industrie und Technik ist das Phänomen schon länger bekannt. Wo gearbeitet wird, da passieren Fehler. Das mag zuweilen ärgerlich sein. Oft ist es aber auch gut. In der heutigen Managerliteratur wird jedenfalls viel und gern über die Kraft von Fehlern gesprochen. «Fehler machen und gewinnen», «Fehler erlaubt» oder «Fehler machen den Meister» sind nur einige von zahlreichen Buchtiteln, die zum Thema in letzter Zeit geschrieben wurden.

Aber nicht nur in der Wirtschaftswelt sind Fehler ein Quell von Innovation und Kreativität. Auch bei der Sprache können Fehler die Welt bereichern. Nur wird dies leider nicht genügend gewürdigt. In der Sprache lässt sich zwischen absichtlichen und unbeabsichtigten Fehlern unterscheiden. Will zum Beispiel ein Jugendlicher jemandem mitteilen, er sei geistig limitiert oder nicht auf der Höhe von irgendetwas, dann sagt er vielleicht: «Hey Aute, du bisch so blibe hange!» Was in andere Dialekte übersetzt auch heissen kann: «Alte, du bisch so hängebblibe!»

Dieses Hängengebliebensein bezieht sich natürlich auf den Geist, auf den Intellekt, auf die Welt des Denkens. Denen die hängengeblieben sind, geht es wie einem Computer, der plötzlich hängenbleibt oder einfriert. Es kommt nichts mehr. In diesem Beispiel wird der technische Fehler zur Metapher. Es handelt sich also um eine bewusste Vertauschung der Bereiche Computer und Geist.

Auch im Familienjargon kommt es vor, dass die Mitglieder einen Fehler, der allen andern Familienmitgliedern bekannt ist, in die Sprache einbauen, wie ein Augenzwinkern. Wenn ein Kind im Anschluss an eine Reise nach Heidelberg erzählt, sie seien in Heidelbeer gewesen, kann dieser Fehler in die Familiensprache integriert werden, so dass die Stadt Heidelberg innerhalb der Familie auch Jahrzehnte später noch Heidubeeri heisst. Auch hier geschieht der Umgang mit dem Fehler absichtlich und bewusst.

Es gibt allerdings auch Fehler, die mit der Mundart unbewusst begangen werden. In meiner Mundart, sagt man «roue», wenn man «rollen» meint. Die so genannte Vokalisierung beim Doppe-L führt dazu, dass beispielsweise eine «Rollträppe» in der Mundart des Oberaargaus «Routräppe» heisst.

Erst neulich ist mir bei einem Besuch eines Warenhauses bewusst geworden, dass mein kleinerer Sohn die Rolltreppe offenbar seit je her «Roubträppe» nennt. Er scheint davon auszugehen, dass diese schnellen Treppen für Räuber entwickelt wurden, weil Räuber es bekanntlich oft eilig haben. Der Bub ist über vier Jahre alt. Er könnte mit den grobmotorischen Fähigkeiten seines Alters problemlos Rolltreppe fahren.

Aber immer, wenn ich im Warenhaus die Rolltreppe benutzen will, will er unbedingt mit dem Lift fahren. «I bi ke Röiber!», sagt er in solchen Augenblicken, womit für ihn alles erklärt ist. Weil er nichts stiehlt, sieht er nicht ein, wozu er die Raubtreppe benutzen sollte. Wenn man es verstanden hat, leuchtet es ein.

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