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Todesfall

Claus Peymann, das letzte Theatergenie ist tot

Er schrieb Geschichte, mit ihm geht eine Ära zu Ende – der deutsche Regisseur Claus Peymann ist im Alter von 88 Jahre gestorben.
Der Regisseur Claus Peymann 2020 in Wien.
Bild: Roland Schlager / APA/APA

Er war der liebe Gott in Wien. Dieser Theaterstadt, die auf einen wie ihn nur gewartet hatte. Er war ein Genie, keine Frage. Wie alle um ihn herum war auch er selbst davon überzeugt. Und natürlich, ein Monarch der Bühne war er. Das Monarchische war seine zweite Natur.

Herrsche und teile – nicht. Das war Claus Peymann. Ob am Burgtheater oder an anderen Wirkungsstätten. Dabei wollte er doch ein «aufgeklärter Monarch» sein und bezeichnete sich entsprechend in einem Interview mit dem Magazin «Der Spiegel».

Bruno Ganz liess nichts auf ihn kommen

Claus Peymann war angetreten, das Regietheater zu erfinden. Und als er es erfunden hatte und für seine Generation von Regisseuren mit, warfen man sich ihm zu Füssen, Vor allem die Schauspielerinnen und Schauspieler. Nichts liess Bruno Ganz auf ihn kommen. Nur die Presse hasste ihn, denn er nahm sich wichtiger als die Medien.

Nun ist der «Prinzipal alter Ordnung» und einer der letzten grossen linken Theatermacher in Deutschland gestorben. Einer, der sich einmischte und auf Missstände aufmerksam machte. Der störrisch war und rebellisch, mit RAF-Terroristen sympathisierte sowie Thomas Bernhard zu Stücken anregte.

Als Titelfigur eines Bernhard-Stoffes wird man sich an ihn erinnern: «Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen», überschrieb Bernhard eine seiner legendärsten Suada. Mit Hose und Humor, der war ihm eigen, ist Claus Peymann im Alter von 88 Jahren gestorben.

«Reisszahn im Arsch der Mächtigen»

Das Theatermachen empfand er als eine öffentliche Tätigkeit. «Folglich ist ein Theaterdirektor jemand, der sich zu Wort melden muss», sagte der langjährige Leiter des Berliner Ensembles einmal. «Ich halte nichts von den sensiblen Hinterstübchen, in denen die meisten meiner Kollegen sitzen - obwohl das vielleicht oft nur aus Opportunismus geschieht.»

Jahrzehntelang machte der Regisseur und Theaterintendant auch jenseits der Bühne Schlagzeilen. Über Stuttgart, Bochum und Wien kam Peymann zum Berliner Ensemble. Dort trat er als «Reisszahn im Arsch der Mächtigen» an und sorgte bis zu seinem Abschied im Sommer 2017 für ein ausverkauftes Haus.

Autoren wie Thomas Bernhard und Thomas Brasch, Botho Strauss, Peter Turrini, Peter Handke, George Tabori und Elfriede Jelinek gehörten zu Peymanns Weggefährten. Er verpflichtete US-Regisseur Robert Wilson und den deutschen Popstar Herbert Grönemeyer für umjubelte Inszenierungen wie das Goethe-Musical «Faust I und II».

Skandal und Skandälchen um die RAF

Furore machte Peymann oft weniger mit seinen eigenen, mit der Zeit eher sehr klassisch angelegten Inszenierungen. Für Aufregung sorgte dagegen immer wieder sein politisches Engagement: Er zeigte Solidarität mit dem wegen seiner Serbien-Sympathie in der Kritik stehenden Peter Handke und bot dem ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar ein Praktikum als Bühnentechniker am Berliner Ensemble an.

Wie damals in den 70er Jahren, als er am Stuttgarter Staatstheater in einer Aufsehen erregenden und folgenschweren Aktion Spenden für die Zahnbehandlung von RAF-Häftlingen sammelte, gehe es um den Kampf für eine gerechtere Welt, sagte Peymann dazu.

Ein Einmischer und Aufmischer

Auch in die seiner Ansicht nach verfehlte Berliner Kulturpolitik mischte er sich ein. Er begleitete etwa den unfreiwilligen Abgang von Frank Castorf als Chef der Berliner Volksbühne und das Scheitern von dessen Nachfolgers Chris Dercon kritisch und lautstark. An seinem eigenen Nachfolger am Berliner Ensemble, dem vom Schauspiel Frankfurt gekommenen Oliver Reese, liess Peymann kein gutes Haar.

Peymann erregte Theater- wie Politikergemüter. Seine Karriere führte ihn von der Berliner Schaubühne - zu deren Gründungsmitgliedern er zusammen mit Peter Stein gehörte - und dem bürgerlichen, ihn nach seiner Spendenaktion für die RAF-Häftlinge nicht mehr duldenden Stuttgart über «dieses proletarisch dunkle Kohlerevier-Theater Bochum» bis in die «Ersatzmonarchie» des Wiener Burgtheaters. Dort, in Wien, war er, laut Eigenzitat, 'der liebe Gott“.

Als Dinosaurier im Museum

Als Regisseur schrieb Peymann Theatergeschichte. Mit seinen Heiner-Müller-Uraufführungen und Kleists «Hermannsschlacht» am Bochumer Schauspielhaus sowie seinen Uraufführungen von Bernhard - wie zum Beispiel dem spektakulären «Heldenplatz» 1988. Der am 7. Juni 1937 in Bremen als Sohn eines Studienrates geborene Theatermacher bezeichnete sich zuletzt als «ein staunenswertes Monstrum, das noch immer eine bestimmte Ethik des Berufes hochhält.»

Nach seinem Abschied als Direktor des Berliner Ensembles zog es Peymann an seine alten Wirkungsstätten zurück. In Stuttgart wurde sein «König Lear» mit Martin Schwab in der Titelrolle des Shakespeare-Dramas bejubelt. In Wien arbeitete er an einer Inszenierung von Eugène Ionescos «Die Stühle». Wegen einer Erkrankung sprang Leander Haussmann ein und setzte das Projekt bis zur Premiere 2019 fort.

Ganz bewusst setzte Peymann auf klassische Interpretationen klassischer Stücke. Mit dem gehypten Spektakel- und Performance-Theater wollte er nichts zu tun haben. Und wenn Kritiker sein Berliner Ensemble deshalb als «Museum» bezeichneten, antwortete er: «Manchmal ist das Museum der lebendigste Ort einer Stadt.»

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