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Oscargekröntes Kino

«The Whale»-Regisseur Darren Aronofsky über seinen Film: «Bei Charlie ist es eben die Fresssucht»

Seit Jahren dreht Darren Aronofsky vor allem heftige Psychodramen fürs Kino. Im Interview erklärt er, wie der Hauptdarsteller Brendan Fraser im oscargekrönten «The Whale» dank herausragender Maskenbildnerei zu einem übergewichtigen Koloss werden konnte. 
Regisseur Darren Aronofsky.
Bild: Bild: Evan Agostini/AP

Für seinen Psychothriller «Black Swan» gabs 2011 fünf Oscar-Nominierungen. Hauptdarstellerin Natalie Portman gewann den Oscar als beste Schauspielerin. Wieder einen Schauspieler-Oscar gibt es dieses Jahr für einen Darren-Aronofsky-Film: Brendan Fraser für seine Hauptrolle in «The Whale». Er spielt den verzweifelten Charlie, der den Tod seines Partners nicht verwinden kann und sich in eine krankhafte Fresssucht flüchtet.

Im Film heisst es einmal «Menschen sind unfähig, sich nicht um andere zu kümmern» – glauben Sie daran oder ist das eine Wunschvorstellung?

Ich glaube sehr an diese Aussage. Und unser Film glaubt ebenfalls daran. Für mich steht diese Aussage für eine grosse Hoffnung.

Der junge Missionar kann mit der Bibel unter dem Arm unwidersprochen seiner Homophobie frönen.

Für mich stand sein Geständnis im Vordergrund, dass er Charlie ekelhaft findet. Das gilt nicht nur seinem körperlichen Aussehen, sondern auch seiner sexuellen Orientierung. Charlie zwingt Thomas zur Ehrlichkeit.

Wie mutiert ein Durchschnittsmensch zu einem Koloss mit zweieinhalb Zentner Gewicht?

Die Bedingung war, dass die Prothese keine Falten von Brendans Gesicht verdeckt, damit seine Mimik nicht eingeschränkt wird. Mein Maskenbildner Adrien Morot entwickelte mit neuester Technologie eine Lösung, die unglaublich realistisch wirkte und zugleich Brendan alle Bewegungsfreiheit liess. Wobei wir nicht vergessen dürfen, dass es jenseits dieser ganzen Maskentechnik des Künstlers Brendan bedurfte, der sie in sein Spiel einbaute. Der sie ignorierte und damit sich selbst gegenüber glaubhaft bleiben konnte.

Brendan Fraser als Charlie in «The Whale».
Bild: Bild: AP
Und hier ohne Maske: Brendan Fraser mit seinem Oscar für den besten männlichen Hauptdarsteller.
Bild: Bild: Caroline Brehman/EPA

Inwieweit ist das Übergewicht eine Metapher für dem Kontrollverlust im Leben? Könnte Charlie ebenso gut ein Alkoholiker oder Spielsüchtiger sein?

Das ist ein guter Punkt. Es könnte sich ebenso gut um Alkohol-, Spiel- oder Sexsucht handeln. Darüber gibt es bereits etliche Filme. Menschen reagieren auf emotionale Schmerzen in ganz unterschiedlicher Weise. Bei Charlie ist es eben die Fresssucht.

Wobei dieser Charlie keineswegs immer nur liebenswert ist.

Charlie hat seine dunklen Seiten. Er ist ein sehr selbstsüchtiger Typ, darüber haben wir oft gesprochen. Charlie traf Entscheidungen in seinem Leben, die fragwürdig sind. Wir treffen ihn an einem Wendepunkt seines Lebens, das fast zu Ende ist. Bleibt ihm Zeit zur Versöhnung mit seiner Tochter? Wir wissen es nicht. Er weiss es nicht. Möchte die Tochter überhaupt eine Versöhnung? Das bleibt offen bis zum Schluss!

Nicht nur die Maske ist in diesem Film eine Herausforderung: Ein Kammerspiel in nur einem Raum mit fünf Akteuren klingt nicht unbedingt nach grossem Kino ….

Kino ist Schauspiel, Licht und Kamera. Den Raum zu reduzieren und damit das Schauspiel zu unterstreichen, ist eine aufregende Herausforderung. Wie verwandelt man dieses grossartige Stück Drehbuch in ein Stück Kino? Zum Glück ist die Geschichte so reichhaltig und die Darsteller so grossartig, dass man nie ein Gefühl der Klaustrophobie in diesem Film bekommt, der zwei Stunden lang in nur einem Raum spielt. Diese Erkenntnis war meine ganz grosse Erleichterung nachdem ich die erste Fassung gesehen hatte.

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