
Ziemlich herzlos gehen unsere Nachbarn mit dem Jubiläums-«Tatort» aus Zürich um. Die Story um gehackte Defibrillatoren, die Herz-Patienten reihenweise umkippen lassen, kommt im deutschen Feuilleton fast überall schlecht weg.
Die Erwartungen, die man unter Kritikern mit der originellen Idee geschürt hatte, sind den Zürchern offensichtlich auf die Füsse gefallen. Die Deutschen hatten sich von den Schweizern die ganz grossen Gefühle und ein Welterklärungsstück gewünscht - im Kinoformat. Doch am Ende konnte man sich nur für die normalisierte, vertrauensvolle Kommissarinnen-Beziehung erwärmen. Immerhin, der ganz böse Spott blieb aus.
Die «FAZ» sah jeder Figur an, «welche Klischeerolle sie zu spielen hat». Tessa Otts private Involviertheit sei eines «von der Stange» gewesen. «So bleibt nur die an sich starke Idee, dass eine datengetriebene Gerätemedizin neue Gefahren birgt; ein starker Thriller wird daraus nicht.»
Dass aus der Idee nicht mehr wurde, bemängelt auch die «Süddeutsche Zeitung». Die Story hätte zwar «das Potenzial zum grossen, wummernden Katastrophenthriller» gehabt, findet die Kritikerin. Trotzdem sei die Episode nicht über «Sonntagabend-Fernsehtheater» hinausgekommen. Das habe auch an den Dialogen gelegen, die alles Offensichtliche ausbuchstabiert hätten.
Etwas unentschlossen urteilte die «Zeit»: «Das könnte der Anfang einer makabren Komödie sein oder der Startschuss für einen B-Movie-Reisser alter Manier», aber der «Tatort» Zürich habe sich für die gepflegte Mittellage entschieden, schreibt Matthias Dell. Für die «Panik, die ausbrechen könnte in einer durchvernetzten Echtzeit-Welt wie der unseren» habe der Film «keinen Begriff». «Vermutlich, weil ihm die Mittel fehlen, eine grosse, alarmierte Aussenwelt zu inszenieren.»
Die «Welt» attestiert dem Frauen-Duo aus Zürich, dass es «im Aufspüren derartiger Alptraumszenarien» eine «gewisse Meisterschaft entwickelt» habe. «Leider auch darin, mit dem Gewicht der Geschichten auf dem Rücken immer ein bisschen zu kurz zu springen.« Die Drehbuchschreiber hätten den simplen Plot unnötig verkompliziert. Allerdings gebe es auch eine «Wärmestube, einen Ruhepol in dieser Geschichte», und die heissen für die «Welt» Ott und Grandjean. «Die waren mal wie Hund und Katz. Jetzt ermitteln sie zunehmend im gleichen Puls. Voller Respekt und Zuneigung.»
In der Schweiz waren die Urteile durchwachsen - so auch in dieser Zeitung. Der «Tages-Anzeiger» zog ein positives Urteil: «Kammerflimmern» sei «spannend, voll wohltuender Härte und trotz unwirklichem Plot nicht abseitig». Die «NZZ» bemängelte, dass der Zürcher «Tatort» sich zwar tollen Themen annehme, deren Ausführung aber immer «okay bis mässig» sei - so auch hier. «Das Katastrophenszenario wird zwar spannend erzählt, manches ist jedoch nicht schlüssig» und der Kritiker bedauerte, dass Zürich nach wie vor so viele narrative Klischees erfülle.
Kommentare
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien, die Kommentare werden von uns moderiert.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.