notifications
Porträt

«Statt Brot für Brüder – Sugo für alle!»

Die Tessiner Künstlergruppe I pelati delicati will liebevoll unseren Blick auf die Schweiz verändern.

Mit Gebrumm steuert Andrea Bettini seine rote Vespa über die Schweizer Bühnen, stets mit seinem Freund Basso Salerno auf dem Beifahrersitz. Und mit einer Handorgel! Zusammen mit dem Regisseur Christian Vetsch bilden die drei «I pelati delicati» und begeistern seit sieben Jahren mit humorvollen Auftritten ihr Publikum. Doch in welche Schublade soll man diese Gruppe stecken? Macht sie Musik? Theater? Musiktheater? Kabarett? Oder viel eher Improvisation?

Wahrscheinlich alles zusammen – und noch viel mehr. Denn in eine dieser berüchtigten Schubladen – oder vielmehr Büchsen! – wollen sich die Pelati nicht stecken lassen. So haben sie vor vier Jahren eine imaginäre Partei gegründet, die für die unbegrenzte Freiheit aller Pelati kämpft. «Nieder mit den Büchsen – Freie Sicht auf die Pasta!» und «Statt Brot für Brüder – Sugo für alle!», lauteten die humorvollen Slogans. Seitdem haben die drei Künstler zahlreiche Programme auf die Beine gestellt, sei es für einen Unia-Anlass vor 800 Leuten oder für einen Geburtstag mit 15 Gästen. Je nach Gelegenheit und Publikum passen «die delikat Geschälten» – oder «die zartfühlenden Glatzköpfe» – ihr Programm an.

Was ist die «wahre» Schweiz?

Die nächste Gelegenheit bietet sich schon bald: Zum zweiten Mal nimmt die Gruppe am Secondo Theaterfestival in Aarau teil, wo man 2009 mit «Finalmente Secondo» den Publikumspreis gewann.

I pelati delicati beschäftigen sich in ihren Programmen oft mit Fragen der Identität: Wo komme ich her? Wo ist meine Heimat? Während Christian Vetsch als Schweizer hier geboren und aufgewachsen ist, immigrierte Basso Salerno vor zwanzig Jahren aus Italien ins Land. Und Doppelbürger Andrea Bettini wuchs zwar in Zürich auf, lebte aber zu Hause bei seinen Eltern die italienische Kultur. Doch zerrissen fühlt er sich deswegen überhaupt nicht. Im Gegenteil: «Ich glaube, die Stärke eines Secondos ist die Möglichkeit, den Blickwinkel zu wechseln. Ich sehe andere Vor- und Nachteile der Schweiz, weil ich in zwei verschiedenen Kulturen aufgewachsen bin», erklärt Bettini.

Verschiedene Blickwinkel wollen I pelati delicati auch beim Theaterfestival einnehmen. In «Svissenesse» gehen sie über die üblichen Käse-Schoggi-Banken-Klischees hinaus und schälen andere, weniger auffällige Werte der Schweiz heraus. «Wir wollen einen liebevolleren und detaillierteren Blick auf unser Land werfen und Perspektiven zeigen, die zuerst gar nicht auffallen», sagt Bettini. Gemessen an Statistiken sei die Schweiz einfach zu definieren, fügt Vetsch hinzu. Aber ihn interessiere vielmehr das Emotionale: Wo fühle ich mich in der Schweiz zu Hause? Was macht den Schweizer Alltag aus? Und was ist noch die «wahre» Schweiz?

Die richtige Prise Komik

Bettini ist überzeugt, dass die Secondos absolut dazugehören: «Wir sind die Schweiz. Da sehe ich keinen Unterschied zwischen mir und Christian. Das ist eine wesentliche Mitteilung, die wir mit unserem Schauspiel transportieren wollen. Es könnte ein neues Identitäts-Bewusstsein entstehen. Wir müssen nicht die alte Schweiz verteidigen – die moderne Schweiz sind wir, die Menschen, die hier leben und sich bemühen, dieses Land zu gestalten.» Die kulturelle Vielfalt der Schweiz sehen die Pelati nicht als Manko, sondern als Vorzug. Schon allein beim Essen: Es gibt selten eine so reichhaltige Esskultur auf kleinem Raum wie in der Schweiz.

Ihr neues Programm mit Liedern und Geschichten aus dem Schweizer Alltag wird auch das Publikum mit einbeziehen – keine Ungewöhnlichkeit bei dieser Gruppe. Jede Vorstellung sei ein Sprung ins kalte Wasser, weil die Zusammensetzung der Zuschauer nie dieselbe sei. Ihre Vorstellungen sind nie durchgängig geplant, immer bleibt ein Spalt offen für etwas Improvisation, ein Hang zum Unfertigen: «Wir machen Fehler, sie sind Bestandteil der Lebhaftigkeit unserer Kunst», erklärt Vetsch. Und ganz wichtig: Zu all ihrem Tun gehört die richtige Prise Komik: «Trotz aller Ernsthaftigkeit betrachten wir uns selbst wie unsere Umgebung mit einem humorvollen Augenzwinkern.»

Svissenesse, Theater Tuchlaube Aarau, Fr 13. März, 20.15 Uhr.

Kommentare (0)