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Konzert

So war das Konzert von Ed Sheeran: 50’000 Menschen sitzen im Pub mit dem Superstar

Der britische Superstar Ed Sheeran füllt zwei Mal das Letzigrund in Zürich. Was seinen Liedern an Finesse abgeht, gleicht er mit ganz viel Charme und noch mehr Nähe aus.
Ed Sheeran bei seinem Konzert in Zürich.
Bild: Marco Masiello

Nach 35 Minuten Konzert sagt Sitznachbar Manuel, er hätte jetzt gerne ein Guinness. Dieses komische dunkle irische Bier. Es hätte auch nicht verwundert, wenn er dazu eine Partie Darts spielen wollte. Schliesslich sind wir im Pub. Im grössten Pub der Welt. Oder zumindest im grössten Pub der Schweiz. Dem Letzigrund-Inn. Dieses maximal schmucklose Stadion ist für einmal ein schöner Ort.

Auf der Bühne steht Ed Sheeran. Der englische Superstar. Die Bühne dreht sich. Er ist immer überall. Er ist alleine. Wir sind 50’000. Er schafft es trotzdem, uns das Gefühl zu vermitteln, das sei jetzt wirklich ein intimer Moment. Wo nur wir sind. Inmitten all dieser anderen, die halt auch da sind. Wie ein Konzert in einem Pub. Darauf ein Guinness. Prost.

Der Allerwelts-Pop, den uns Sheeran hier serviert, klingt wie die Jukebox in all diesen Bars. Für zwei Franken gibt es den Wunschsong. Viele Schmachtfetzen über die Liebe. Gewünscht in der Hoffnung, beim Slowdance dem Gegenüber endlich die Arme um die Hüfte legen zu können. Sheeran singt uns die Songs genau in dieser Dringlichkeit, dass das tatsächlich heute endlich klappen könnte.

Ehrlichkeit in einem verlogenen Geschäft

Was all seine grundsoliden Pop-Songs von all dem anderen grundsoliden Pop unterscheidet, der 25 Sekunden später wieder für immer vergessen ist, ist die Nähe, die Sheeran schafft. Und sein Charisma. Diese rotgeschopfte Frohnatur ist ein Ereignis. Humor, Tiefgang und ohne Anbiederung. Er wirkt echt. Und das in diesem grundverlogenen Showgeschäft, wo alle jederzeit «so happy» sind.

Die Bühne steht in der Mitte des Stadions.
Bild: Marco Masiello

Natürlich: Auch bei Sheeran gelingt nicht alles. Gerade die Stücke mit Band sind teilweise arg beliebig. Am besten ist der Brite dann, wenn er nur mit Loop-Station und Stimme arbeitet. Schrummel-Schunkel-Lieder für das Lagerfeuer. Wir packen alle den Feuerzeugersatz Mobiltelefon nach vorne und leuchten mit der Taschenlampe.

Wo sonst all diese Mitsing- und Mitmach-Parts spätestens an den Sitzplätzen zerschellen, hüpfen bei Sheeran sogar die Leute, die extra mehr Geld für gepolsterte Ledersessel ausgegeben haben. Er sagt: «Jump!», und wir jumpen. Er sagt: «Clap!», und wir klatschen. Er sagt: «Sing!», und wir singen. Alle. Wirklich alle. Also meistens. Interessanterweise versäuft die Intensität des Konzerts immer dann, wenn es besonders druckvoll sein will. Lautstärke rettet Mittelmässigkeiten nicht. Das sollten sich generell viele Menschen hinter die Ohren schreiben.

Zu viele Feuerbälle und zu viel Feuerwerk

Die Bühne steht in der Mitte des Letzigrunds. Sie ist zwar imposant, aber nicht protzig. Abgesehen von dem etwas übertriebenen Einsatz von Feuerbällen und Feuerwerk ist die Show angenehm dezent. Sheeran trägt sogar die gleichen Outfits wie bei seinem Gastspiel 2022 am selben Ort: im Hauptteil ein T-Shirt mit farbiger «Zurich»-Aufschrift und im Zugabeblock ein Dress der Schweizer Nati. Etwas anbiedernd, gewiss, aber so kurz nach dem ersten August für einmal tolerierbar. Auch die Setlist ist nicht wahnsinnig anders. Sie wurde nur um die neuen Songs erweitert.

Grösstes Ärgernis an diesem Abend ist derweil das Wetter, das so gar nicht zu einem Sommergig passen will. Sogar ein paar der modisch fragwürdigen Softshelljacken wurden verfrüht aus ihrem Sommerschlaf entlassen. Aber ganz ehrlich: Das ist so etwas von egal. Vielleicht war das ja sogar der Startschuss zu einem zweiten Sommer. Nicht einem englischen.

Und dann ist da noch die Frage nach dem Stargast, den Sheeran dann und wann auf die Bühne holt. Auch im Vorfeld seines Zürcher Gigs wurde spekuliert, wer da kommen würde. Nemo? Gölä? DJ Bobo? Die Antwort: niemand. Nicht einmal Roger Federer winkt von der Leinwand.

Vielleicht sind sie alle da. Sitzen in einer Loge. Es braucht sie nicht. Im Letzigrund-Inn gibt es nur einen Star: Ed Sheeran selbst. Und den mögen wir genau deswegen, weil er sich so Mühe gibt, nicht wie ein Star zu wirken. Am Montag fliegt er dann im Privatjet zurück nach Hause. Aber das sehen wir nicht. Heute ist er mit uns im Pub. Was morgen ist, interessiert uns frühestens morgen.

Jetzt zuerst ein Guinness, bitte.

Gratis-Konzert auf Balkon: Anwohner geniessen Ed Sheeran im Letzigrund

Am Sonntag spielt Ed Sheeran noch einmal im Letzigrund. Es gibt noch Restkarten für das Konzert.

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