Von Denise Bohnert
Die Tribüne füllt sich zusehends. Das Licht geht aus und die kurze Dunkelheit ist der Übergang in eine andere Welt. Schwarz gekleidete Musiker und Musikerinnen betreten den Orchestergraben hinter der Bühne. Die Instrumente finden den gemeinsamen Ton, den die erste Geige anstimmt. Roman Didion erhebt den Taktstock, das Orchester spielt die Ouvertüre von Smetanas «Hubicka». Entspannung breitet sich aus, die Musik nimmt das Publikum mit auf die Reise ins neunzehnte Jahrhundert, in ein Dorf im böhmischen Wald.
Smetanas Konterfei erscheint auf dem Monitor, wie wenn er selbst zuschauen würde. Als der «Kuss» uraufgeführt wurde, war der Komponist 52 und taub. Verschiedene musikalische Stimmungen führen in das Stück ein: spielerisch, leidenschaftlich, fröhlich, aber auch abgründig, geheimnisvoll - und immer durchsetzt mit volkstümlichen Elementen.
Happy End am Anfang
Der erste Akt. Vater Paloucký sitzt im Sessel, er liest die Bibel. «Vendulka, wo steckst du? Lukas will dich zur Frau nehmen!» Vendulka (Ursina Leuenberger, Sopran) freut sich, Lukas ist ihre grosse Liebe und doch: Lukas war schon verheiratet, seine Frau ist erst vor Kurzem gestorben. Väterchen Paloucký hat zwar seine Bedenken - die beiden sind eigensinnig - gibt dann aber doch seinen Segen, damit er seine letzte Reise antreten kann.
Sein Haar ist zwar grau geschminkt, seine Stimme sehr tief (Bass-Bariton) und seine Gestik die eines Alten und doch: Thomas Trolldenier ist der Jüngste im talentierten Ensemble der Solisten bei Opernhausen, von denen kaum jemand schon dreissig ist. Der Bräutigam (Christoph Waltle, Tenor) und sein Schwager (Remo Tobiaz, Bariton) kommen als Freier, halten um die Hand der jungen Vendulka an, Aufregung im Dorf, das Volk - der Chor - versammelt sich zum Anstossen, der Brautvater ist einverstanden, die Braut ebenfalls. Dies scheint wie das Happy End, aber es ist der Anfang des ersten Aktes, da werden noch Hürden kommen!
Komplikationen und Leichtsinn
Und sie kommen! Aus Respekt vor der verstorbenen ersten Frau will Vendulka den Verlobten (noch) nicht küssen. Dieser will den tieferen Sinn nicht verstehen, meint ein Recht auf den Kuss zu haben und versucht ihn mit allen Mitteln einzufordern, die Situation eskaliert, Möbel und Fetzen fliegen - bis die Verlobung platzt! Doch als Lukas fortgerannt ist wie still ist es dann!
Da öffnet sich hinter dem Orchestergraben eine neue Bühnenebene, die Schlafkammer, wo das Kindlein schläft. Und Vendulka singt ihm ein Engelslied; wenn sie auch eigensinnig und widerspenstig ist, hat sie sich doch bereit erklärt Lukas' mutterloses Kind aufzunehmen. In diese heilige Stimmung platzt ein Narr - oder ists ein Teufel? - gefolgt von leichten Mädchen und einem Betrunkenen: Es ist Lukas, der vor aller Augen die Mädchen küsst!
Bei den Schmugglern im rechtsfreien Raum
Mit dieser Schande kann die junge Frau nicht leben, sie will sich den Schmugglern anschliessen, die nachts und im Morgengrauen lautlos durch den Wald huschen - der Anfang des zweiten Akts ist märchenhaft. Tatsächlich war zu der Zeit das Schmuggeln im böhmischen Wald sehr verbreitet und der Wiener Handelskammer ein Dorn im Auge: an allen Zollstellen vorbeigeschleust wurden Stoffe, Wolle aus Sachsen, Metallwaren aus Venedig, Tabak und Lebensmittel.
Das Schmuggeln diente als Existenzsicherung einerseits, bedeutete aber auch wirtschaftliche Autonomie und politische Kraft gegenüber der österreichischen Obrigkeit und besass ausserdem einen heldenhaften Anstrich, der in zahlreichen Liedern und Balladen besungen wurde. «Jen dàl!» - «Voran!» - Das Schmugglerlied, eine der tschechischen Textstellen, ist sehr stimmungsvoll.
Stimmungsvoll ist auch die Theaterbeiz; «U Eliska», nach der Librettistin benannt, bietet vor den Abendvorstellungen jeweils ein frisch zubereitetes warmes Essen an sowie hausgebackene Kuchen in grosser Auswahl.
Platzreservierungen unter www.opernhausen.ch, per E-Mail: tickets@opernhausen.ch oder Telefon 044 764 07 52 (nur 18 bis 21 Uhr), Kollekte. Weitere Vorstellungen: 11., 12., 13., 18. (Zusatzvorstellung), 19., 20., 25. und 26. September.
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