Patrick Modiano reist in seinen Büchern immer wieder zurück ins Paris des 20. Jahrhunderts, oft in die Zeit der deutschen Besatzung. Dafür erhält der französische Autor nun den Nobelpreis für Literatur.
"Archäologe der Vergangenheit" wird Patrick Modiano in Frankreich von seinen Kritikern genannt. Besser könnte man seinen Stil nicht beschreiben. Denn in seinen Büchern rekonstruiert der französische Autor Geschichten aus dem Paris der Nachkriegszeit. Dabei erforscht er seine Figuren wie ein Spurensucher, seine Sprache ist klar und präzise. Auch mit Blick auf die Details entwickeln seine Werke eine unnachahmliche Stimmung.
Modiano hat in seinem mehr als vierzigjährigen Werdegang als Schriftsteller rund 30 Romane geschrieben. Sie wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Im deutschsprachigen Raum fand der mehrfach preisgekrönte Autor Mitte der 80er Jahre mit dem Werk "Eine Jugend" viele Fans - in einer Übersetzung des Österreichers Peter Handke.
Krieg, Liebe, Besatzung: Das sind die Themen, aus denen der Franzose seine Inspirationen schöpft. Egal ob in seinem 2013 auf Deutsch herausgebrachten Buch "Der Horizont", in "Unfall in der Nacht" oder "Aus tiefstem Vergessen", Modiano beschreibt in seinen Werken Erinnerungen an seine unglückliche Kindheit im Paris nach dem Zweiten Weltkrieg.
"Ich versuche bei den Menschen und den Dingen die Schicht des Vergessens zu durchstossen", sagte der medienscheue Autor unlängst in einem seiner wenigen Interviews.
Für seine Geschichten, die sich zumeist auf reale Geschehnisse beziehen, schöpft er oftmals aus Zeitungsartikeln oder seinen eigenen über Jahre gesammelten Notizen. Seine Romane nehmen dabei Bezug aufeinander: So greift Modiano frühe Geschichten später wieder auf, lässt Figuren wiederkehren. Seine Heimat Paris und deren Geschichte fungiert dabei immer wieder als Bindeglied zwischen den Erzählungen.
Jugend im Internat
Modiano wurde am 30. Juli 1945 in Boulogne-Billancourt bei Paris als Sohn eines jüdischen Kaufmanns und einer flämischen Schauspielerin geboren. Die Eltern hatten sich während der deutschen Besatzungszeit kennengelernt. Modiano wuchs zunächst bei den Grosseltern auf und verbrachte seine Jugend später im Internat. Der Tod seines zehnjährigen Bruders war ein Schock für ihn. Viele von Modianos frühen Arbeiten sind ihm gewidmet.
Beim Studium am Lycée Henri-IV in Paris sollte Modiano von seinem Geometrielehrer Raymond Queneau, einem Schriftsteller, massgeblich beeinflusst werden.
Bereits mehrfach preisgekrönt
Meist sind es belanglose Details, die Modianos Geschichten in Gang setzen, wie etwa ein Früchtekorb in "Vorraum der Kindheit" (auf Deutsch: 1992). Mit seiner präzisen und teilweise kargen Sprache erschafft er fast schon unwirkliche Stimmungen. Er entwirft in seinen Texten Geschichten und Bilder von Sinn- und Glückssuchern.
In Frankreich wurde Modiano mit nahezu jedem nennenswerten Preis geehrt: So erhielt er 1968 den Prix Roger Nimier, 1972 den Grand Prix du Roman de l'Académie française oder 1978 den Prix Goncourt. Überdies ist Patrick Modiano Chevalier des Arts et des Lettres.
Im Jahr 2010 wurde er in Deutschland mit dem Preis der SWR-Bestenliste für "Place de l'Étoile" ausgezeichnet. Das Buch, mit dem er in Frankreich 1968 sein Debüt feierte, handelt von einem jungen Mann in Paris zur Zeit des Nationalsozialismus.
In dem Roman beschreibe der Autor "Erinnerungsbilder aus der Vergangenheit, die viele Schattierungen von Sehnsucht aufweisen", hiess es damals in der Begründung. In Frankreich gilt Modiano deshalb auch als Autor gegen das Vergessen. In Österreich wurde er 2012 mit dem Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet.
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