Das Gefühl danach
Ich war ja dankbar und zutiefst demütig, dass mir die Zeitumstellung am Wochenende eine zusätzliche Stunde Lebenszeit geschenkt hat, die ich ohne schlechtes Gewissen fürs spätabendliche Schauen von Comedy-Formaten aus dem Hause SRF verschwenden konnte. Nur: Kann es sein, dass manche Sendeformate den Wechsel von der Sommer- zur Winterzeit nicht ganz mitgemacht haben?
Als der immer harmlos freundlich in die Kamera blickende Ostschweizer Gabriel Vetter sich am Sonntagabend zu Wort meldete, erschien er mir wie ein grimassierendes Marsmännchen. Nicht, weil er wie eines aussah – wer will schon so genau wissen, mit was für einer Auftrittskompetenz und in welcher Optik so ein Marsmännchen sich vor eine Fernsehkamera stellen würde? Aber Vetters Gags wirkten von Minute eins an arg neben der Tonspur, Bild und Ton führten ein Eigenleben. Fixierte man während der Sendung die hässliche Kuh-Vase zur Linken auf Vetters Pult – was für ein Gestrüpp steht da eigentlich drin? -, kam man trotzdem noch in den Genuss einer soliden Sendung, die Vetter und Fabienne Hadorn dieses Mal ohne Sven Ivanic bestritten.
Das bewegte die Welt im Monat Oktober
Die Abschaffung der Witwenrente, die Bilateralen III, die Kompass-Initiative, die Themen wiegen schwer. «Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, der ganze Oktober ist so eine Art Aufflammen von so komplett entfesseltem, neoliberalem 1980er-Jahre harter-Hund-Chabis?», fragt Vetter Kollegin Hadorn.
Was ihm dann aber wirklich schwer auf dem Magen und auf dem Herzen liegt, und da wären wir wieder bei der hässlichen Kuh-Vase auf Vetters Pult, das ist die Schaffhauser Gemeinde Beggingen, in der Vetter aufgewachsen ist. 2021 überspülte eine Sturzflut das 500-Seelen-Dorf. Beggingen was begging for help. Zwar habe dieses «Napoli Schaffhausens», so Vetter, keinen brodelnden Vesuv unter sich, aber einen gefährlichen Dorfbach.
Doch, wie Vetter es schon selbst angemerkt hat, der 1980er-Jahre-harte Hund-Chabis wirkt weiter. Der Eidgenoss, gemeinhin als Räpplispalter bekannt, wird auch im Fall Beggingen seinem Ruf gerecht: Bund, Kanton und Versicherer lehnten es ab, das wirtschaftlich nicht sehr potente Dorf hochwassertauglich zu machen oder gar zu versichern. «Beggingen ist das erste Dorf in der Schweiz, über das der Bund sagt: Tut uns leid, aber ihr seid zu wenig wert, um geschützt zu werden», sagt Vetter, der als Aussenreporter den auf jede seiner Spitzen wie ein sattes und gut ausgeschlafenes Baby lächelnden Gemeindepräsidenten interviewte, während der Song «Die Flut» des deutschen Duos Witt/Heppner, eine schlechte Rammstein-Kopie, im Hintergrund bedrohlich gurgelte.
Der beste Spruch
Den macht Vetter, als er den unter Diplomaten abschätzig verwendeten Begriff «Europa à la carte» für Sonderregelungen mit der EU auf die direkte Demokratie der Schweiz ummünzt und sich dabei in Rage redet wie zu seinen besten Zeiten als Slampoet: «Unser politisches System ist ein verdammtes A-la-carte-Menü. Bei jeder neuen Überdachung einer Kindergarten-Turnhalle müssen wir sagen, ob wir das gerne medium, glutenfrei, mit einem Salötli, einem Süppli oder gerne vegan hätten. Alter, es ist mir imfall Scheiss egal. Stell mir ein Stück hartes Brot auf den Tisch und hau mir eins an den Grind.»
Der beste Spruch von der Seitenlinie
Fabienne Hadorn über Guy Parmelins Homestory in der «Schweizer Illustrierten , die den Bundesrat mit seiner Frau zeigt: «Ich wusste gar nicht, dass er mit Micheline Calmy-Rey verheiratet ist.»
Die höchste Kalauerdichte
Die liefert Fabienne Hadorn beim Thema Schweizerische Bundesbahnen und deren Einsatz von klassischer Musik am Bahnhof Bern ab. Ludwig van Bahnhofen und Speisewagner, um den Drogenhändel einzudämmen, ja geht das denn? Mit den SBB geht’s wirklich den Bach ab!
Special Effects
Das Kult gewordene Youtube-Video «Life accordion to Trump» zeigt den Ex-US-Präsidenten Reden schwingend, während ein Handörgeli zwischen seine Finger montiert wurde, das die Hassrede akustisch untermalt. Das SRF lässt den oft wie ein Hund mit seinen Pfötchen auf dem Tisch herumtappenden Vetter auf altem Videomaterial Piano spielen. Herzig.
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