Lea Reimann
Tatsächlich ist von der Tragik im ersten Akt nicht viel zu spüren. Zwei Gastrokritiker, die unterschiedlicher kaum sein könnten, kontrollieren Wirtshaus und Hotels, bringen kuriose Mängel an und geben skurrile Verbesserungstipps, indem sie etwa Saunageländer empfehlen oder Brandschutztüren zwischen Bad und Zimmer fordern. Der verstockte Heinz Bolliger (Hanspeter Bader) gibt sich den Sünden des Lebens hin, trinkt gerne mal einen über den Durst, interessiert sich vor allem für die roten Strapse seiner Gattin und isst gerne frittierte Fischstäbchen und Cordon bleu. Seine etwas vulgäre Art und das dreiste Verhalten kommen bei seinem feinfühligeren und vielredenden Arbeitskollegen Kurt Gerber (Jens Wachholz) nicht gut an. Dieser lebt kultur- und gesundheitsbewusst, gönnt sich nur selten einmal ein richtiges Schnitzel und wirkt spiessig.
Die beiden Gastronomie-Experten, die sich anfangs nicht leiden können und ihre Feindschaft offen austragen, entwickeln - zuerst ohne es selbst zu merken - nach und nach eine richtige Freundschaft, die berührt und zum Nachdenken anregt, aber auch zum Lachen bringt.
Als sich dann im zweiten Teil völlig unerwartet der Tod ins Stück hineinschleicht, versuchen die beiden gemeinsam mit der letzten Diagnose umzugehen - mit Witz und Humor, Wut und Aggression, aber auch mit hilfloser Sprachlosigkeit. Die tragische Seite des Stückes lässt den polternden Anfang der dreisten Wirtshausgespräche in einem anderen Licht erscheinen und führt die Zuschauer bis zur Frage nach dem Leben nach dem Tod oder zu Gerbers Überlegung, ob man sich als Asche in einer Urne beengter fühle als im Sarg.
«In Indien zum Beispiel ...»
Die emotionale Entwicklung der beiden Männer beeindruckt vor allem durch die überzeugende Darstellung von Hanspeter Bader und Jens Wachholz. Der einzige Nebendarsteller Remo Reinle beweist seine Wandelbarkeit, indem er sowohl die Rollen verschiedener Wirte als auch in jene des Arztes schlüpft. Anders als der exotische Titel vermuten lässt, spielt das Stück nicht in Indien. Die Tragikomödie von Josef Hader und Alfred Dorfer spielt ursprünglich in Österreich, wurde für diese Inszenierung aber ins Schweizer Mittelland verlegt. Auf dem Arbeitsprogramm der beiden Gastrokritiker stehen Restaurants und Hotels in Langendorf, Laupersdorf oder Burgdorf. Dennoch wird Indien mehrmals vom neunmalklugen Kurt Gerber erwähnt, und zwar in den verrücktesten Zusammenhängen und obwohl er nie dort war. «In Indien zum Beispiel ...», beginnt er seine Anekdoten, und erklärt dem anfangs uninteressierten Bolliger, dass die Leute dort nicht Schnitzel, sondern den ganzen Tag nur Reis essen und dabei lachen würden.
Weitere Aufführungen: 17., 24. und 25. September sowie am 1., 2. und 3. Oktober um 20 Uhr im Uferbau Solothurn, am 18. September um 21 Uhr im Kultur Kreuz in Nidau. Reservationen unter Tel. 032 621 20 03.
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