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Ausstellung

Museumsbesuch gegen Klimakrise: «Planetopia» in Bern gibt Tipps für das eigene Wohnzimmer

Klimaausstellungen liegen im Trend. Das Museum für Kommunikation in Bern stellt nun die entscheidende Frage: Ist die Welt noch zu retten?

In der Ausstellung «Planetopia» in Bern sollen gute Vorsätze zu Versprechen werden.
Bild: Digitale Massarbeit

«Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle.» Das sind wahrlich keine beruhigenden Worte, mit denen UN-Generalsekretär António Guterres vergangene Woche die Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm al-Sheikh eröffnete. Vertreterinnen und Vertreter aus rund 200 Staaten treffen sich dort, um gemeinsam über Lösungen für mehr Klimagerechtigkeit und gegen die steigende Erderwärmung zu sprechen. Sie tun dies mit wenig Hoffnung. Das 2015 in Paris vereinbarte Ziel, die 1,5-Grad-Grenze, scheint kaum noch zu erreichen.

Aufgeben darf man deswegen erst recht nicht. Das findet auch das Museum für Kommunikation in Bern und ruft ein interaktives «Planetopia» aus. In der Wortschöpfung steckt natürlich die Utopie und so wollen die Ausstellungsmacher nicht weniger als einen «Weltwandel». So ambitioniert, vielleicht gar charmant grössenwahnsinnig dieses Wort auch klingen mag, ein Ausstellungsrundgang zeigt: Dieser «Weltwandel» beginnt bei einem selbst, im Kleiderschrank, im Wohnzimmer oder im Kühlschrank.

Bei den Zahlen hilft kein Schönreden

In Klimaangelegenheiten hat nämlich niemand eine weisse Weste, da mögen die Hemden und Pullover noch so unschuldig über der Ausstellung flattern. Die Zahlen und Fakten, die ihnen zugrunde liegen, sind ernüchternd. Um ein Kilogramm Baumwolle herzustellen, benötigt es 10'000 Liter Wasser in der Produktion, das Mikroplastik im Meer stammt zu 35 Prozent aus synthetischer Kleidung wie unseren Bikinis, mit denen wir baden gehen, oder den Fleecejacken, die wir zu Hause in die Waschmaschine werfen. Und Frauen kaufen mehr neue Kleidung als Männer; diese essen dafür mehr Fleisch.

In Sachen Klima hat niemand eine weisse Weste.
Bild: Digitale Massarbeit

Um das zu verdauen, wollte man sich am liebsten erst mal setzen. Doch Vorsicht, bequem ist in dieser Ausstellung noch nicht einmal der Sessel. An die 10'000 Gegenstände finden sich in einem durchschnittlichen Schweizer Haushalt. Zählen Sie ruhig nach, aber vergessen Sie dabei nicht die eine Küchenschublade, in der alles landet, was sonst keinen Platz hat.

Jeder kann etwas tun – sei es nur der Wocheneinkauf

Diese Zahlen, schon oft in Zeitungen, in Ratgebern und Berichten gelesen, werden in der Ausstellung nicht nur sichtbar, sondern teilweise am eigenen Leib spürbar. Auf dem Hometrainer kann jede Gaming-Minute mit eigener Muskelkraft erstrampelt werden. Das ist eingängig, deswegen aber nicht weniger deprimierend. Dabei soll die Ausstellung gerade «nicht in eine Weltuntergangsstimmung kippen», heisst es im Ankündigungstext. Stattdessen solle jede Besucherin, jeder Besucher zum Handeln motiviert werden. Die gigantische goldene Hand am Eingang hebt auch nicht den Zeigefinger, sondern liefert das Motto: «Wir haben es in der Hand.» Kurator Ulrich Schenk ergänzt es:

«Jeder kleine Schritt ebnet den Weg zur Veränderung.»

Strampeln für den Gaming-Spass.
Bild: Digitale Massarbeit

Solche Schritte könnten sein: Kleider secondhand und Gemüse auf dem Markt zu kaufen, Küchengeräte mit den Nachbarn zu teilen und Ferien in der Nähe statt in der Ferne zu machen. Die Tipps sind gut gemeint, leicht umsetzbar und ein pragmatisches Mittel gegen das Gefühl der Machtlosigkeit, die insbesondere Kinder und Jugendliche angesichts der Klimakrise ergreift. Nach dem lustvollen Versprechen der «Planetopia» sind sie jedoch leider in etwa so einfallsreich wie die Energiesparkampagne des Bundes. Und sie verankern die Ausstellung im Jetzt, statt mögliche Zukunftsbilder – Utopien – zu entwerfen. Dabei könnte eine mutige Vision mindestens ebenso motivieren wie die Bedrohung im Nacken.

Das Museum hält sein Versprechen ein

Es liegt im Trend, dass sich Museen dem Klima widmen. Das Kunsthaus Zürich eröffnete den Chipperfield-Bau mit der Ausstellung «Earth Beats» mit Werken zur Umwelt und ihrem Schutz. Erst vor zwei Wochen eröffnete im Stapferhaus die Ausstellung «Mensch – Natur». Das Literatur-Museum Strauhof in Zürich fragt nach der «Climate Fiction». Ein gutes Zeichen, findet Kurator Schenk:

«Es zeigt, dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.»

Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch hinter den Museumskulissen; dass es dem Museum mit der Nachhaltigkeit ernst ist, beweist die Konsequenz, mit der die Ausstellung umgesetzt ist. Die benötigten technischen Geräte wurden ausgeliehen, Schilder und Stellwände mit Unterstützung des Szenografiebüros Offcut aus früheren Einsätzen wiederverwertet. Im Haus habe man ein Depot aus dem Dachstock in den Keller verlegt, um die Klimaanlage einzusparen. Damit unterstreicht das Haus noch einmal deutlich, was es auch dem Publikum auf den Weg gibt: Jeder Schritt zählt.

«Planetopia»: bis 23.07.23. Museum für Kommunikation.

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