Um sich auszudrücken, brauchen Kinder die Wörter, die sie kennen. In der Schule lernen sie dann bald, dass ihre Ausdrucksmöglichkeiten ungenügend sind. Wortwiederholungen sind nicht mehr erwünscht. Konjunktionen dürfen nur noch dosiert verwendet werden, und das Adjektiv «schön» soll, wenn immer möglich, durch schönere Adjektive ersetzt werden. Diese Art der Spracherziehung, bei der vor allem darauf geachtet wird, Wiederholungen und einfache Begriffe zu vermeiden, hat oft lebenslange Folgen. Wir beginnen den einfachen und naheliegenden Begriffen zu misstrauen, suchen überall Synonyme und versuchen, alles zu bekämpfen, was als repetitiv empfunden werden könnte.
Vor dem Schuleintritt erzählen Kleinkinder noch spontan und voller Überzeugung, was ihnen widerfahren ist. Sie tun dies meist in der natürlichen Form der Aufzählung: «Das Wetter war schön und ich ging raus und dann sah ich schöne Blumen und dann traf ich Edi und dann gingen wir weiter und dann trafen wir Regula und dann spielten wir und wir hatten es schön und dann fiel Regula hin und das war nicht schön und dann haben wir sie getröstet und dann mussten wir heimkehren.» Schon bei den ersten Aufsätzen werden die Kinder jedoch dazu aufgefordert, sparsamer mit der Konjunktion «und» umzugehen und das Wort «schön» durch präzisere Adjektive zu ersetzen.
Ist jemand später in einem schreibenden Beruf tätig, wird er oder sie es nicht mehr wagen, ein gleiches Wort mehr als einmal im gleichen Text zu verwenden. Dabei gehört die Wiederholung zu den ältesten Stilmitteln der Rhetorik. Von der katholischen Liturgie bis zum zeitgenössischen Pop sind Wiederholungen nicht wegzudenken. Fast alles, was Sinn und Freude macht im Leben, basiert auf Wiederholungen, aber ausgerechnet im Bereich der Sprache wird einem die Wiederholung früh madig gemacht.
Dass das allerhand Konsequenzen hat, liegt auf der Hand. Was tut beispielsweise ein Sportberichterstatter, der in einem Bericht über Fussball das Wort «Ball» schon gebraucht hat? Er wird von der «Kugel» reden, danach vielleicht noch vom «runden Leder», aber dann wird es schon eng. Nur durch diese früh anerzogene Hemmung, ein gleiches Wort mehr als einmal zu verwenden, ist zu erklären, dass der Reporter im genannten Beispiel irgendwann das Wort «Spielgerät» braucht. In letzter Zeit erscheint der Begriff «Spielgerät» in Fussballartikeln oder Live-Kommentaren fast schon inflationär. («Embolo zimmert das Spielgerät in die rechte, untere Ecke!») Dabei gibt es wohl kein unpassenderes Wort für einen Fussball als dieses unsägliche Spielgerät.
Im Zusammenhang mit einem so einfachen Gegenstand wie einem Ball von einem Gerät zu reden, zeugt von einem schwer korrigierbaren Mangel an Sprachgefühl. Und wenn mir meine Primarschullehrer den Gebrauch von «schön» nicht vor über fünfzig Jahren ausgetrieben hätten, würde ich heute und hier behaupten, es sei wirklich und überhaupt gar, gar, gar nicht schön, einen Fussball Spielgerät zu nennen.
Kommentare
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien, die Kommentare werden von uns moderiert.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.