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Kunst

Künstler setzt heilige Fabiola 370 Mal in Szene

Der belgische Künstler Francis Alÿs stellt keine eigenen Werke aus. Er inszeniert im Basler Wohnmuseum Kirschgarten 370 Bildnisse der heiligen Fabiola.

Zwei Dinge stimmen nicht: Das Schaulager macht seine jährliche Ausstellung nicht im Schaulager. Und der international hochgelobte Künstler Francis Alÿs zeigt in seiner Ausstellung kein einziges eigenes Bild. Doch diese Widersprüche sind Programm, diese Irritationen gar der eigentliche Clou des Ereignisses.

Das Schaulager, als ehrgeiziger «Ort der Sammlung und der Forschung» von Maja Oeri gegründet, lädt einmal pro Jahr einen Künstler und das Publikum in seine von Herzog und de Meuron gebaute Homebase ein. Sonst ist das Lagerhaus der Emanuel-Hoffmann-Stiftung für das Publikum geschlossen.

Da Francis Alÿs auf der Welttournee mit seiner Sammlung von Bildnissen der heiligen Fabiola aber prinzipiell nicht in üblichen Museumsräumen, nicht in White Cubes, gastiert, musste das Schaulager für seine einzige Ausstellung ausser Haus.

Üppiges Ambiente

Der Künstler Francis Alÿs und die Kuratorin Lynne Cook fanden im Haus zum Kirschgarten den idealen Ort. Und Hausherr Burkard von Roda öffnete das Wohnmuseum mit seinen grossbürgerlichen Sälen aus dem 17. und 18. Jahrhundert gerne. «Ich finde die Konfrontation mit der zeitgenössischen Kunst spannend und erhoffe mir viele neue Freundinnen und Freunde für den Kirschgarten.» Publicity, wie sie das Label Schaulager und der Name Francis Alÿs bringen, hat dieses historische Museum auch nötig, wird in Basel doch über eine Schliessung nachgedacht.

370 Mal das gleiche Bild

Wir betreten das Haus mit der unscheinbaren roten Sandsteinfassade an der Elisabethenstrasse, queren die dunkle Säulenhalle und schreiten über die herrschaftliche, geschwungene Steintreppe in die Bel-Etage. Im prächtigen Vestibül empfängt uns Fabiola.

Genauer: Dutzende von gemalten Fabiolas. Die heilig gesprochene römische Patrizierin aus dem 4. Jahrhundert, Schutzpatronin der Geschiedenen und Krankenschwestern, wurde von unterschiedlichste Malern immer streng im Profil dargestellt, die Haare von einem roten Schal verschleiert. Die Bildnisse des einstigen Hausherrn, des Seidenfabrikanten Johann Rudolf Burckhardt, hat Alÿs auf den Estrich verbannt.

Im Alkovenzimmer, im blauen Salon, im Louis-XV.-Kabinett, im Essraum, in den privaten Räumen im 2. Stock und selbst in der Spielsachenausstellung im 3. Stock: Überall ist Fabiola. Mal einzeln, mal als Pendant zu historischen Werken, versteckt oder prominent auf einer Marmorablage, aber meist in ganzen Gruppen wie zu einer Tapete gefügt. Gemalt, gestickt, auf Holz oder Leinwand, ungerahmt oder in Gold gefasst – immer gleich. Oder zumindest fast gleich.

Phänomen faszinierte mehr als das Sujet

Die Gesichtszüge ähneln sich, doch die eine hat rundere Wangen, die andere vollere Lippen, die nächste längere Wimpern... Und manchmal schaut eine nach links oder eine andere trägt einen grünen Schal.

«Eigentlich habe ich auf den Flohmärkten Kopien von berühmten Gemälden gesucht», erklärt Francis Alÿs seine Sammlung, «aber ich habe statt der Mona Lisa Fabiola gefunden.» Immer wieder. «Die erste habe ich sogar als Untergrund für ein eigenes Bild genommen, sie so übermalt, dass das Karmesinrot und der Umriss erkennbar geblieben sind.»

Es war aber weniger das Sujet der Heiligen, das ihn faszinierte, sondern das Phänomen, dass ein verschollenes Originalbild von Jean-Jacques Henner von 1885 so oft kopiert wurde. «Die Amateure haben das Bild gemalt oder gestickt, damit sie es bei sich aufhängen konnten.»

Diese Aura interessiere ihn, ebenso das Gefühl, eine Sammlung zu besitzen. «Und es ist spannend mit der Sammlung seit drei Jahren durch die Welt zu touren und durch sie neue Kontakte zu knüpfen.» Er hoffe, er könne das noch zwei, drei Jahre weiterführen. Wir zweifeln nicht daran, dass ihm das dank seinem Renommee gelingt.

Kunsthistorischer Untergrund

Alÿs Intervention würde das Prinzip des Sammelns und den Einfluss des Kontextes auf Bilder hinterfragen, erklärten die Verantwortlichen, es passe deshalb hervorragend zur Arbeit des Schaulagers. Der Mix der Epochen sowie die Konfrontation der katholischen Volksheiligen mit dem Ambiente des protestantisch-grossbürgerlichen Hauses bürgen für Erkenntniswert.

Was lohnt nun aber mehr? Die seltsame Flut dieser Fabiolas oder der Prunk des Basler Bürgertums aus dem 17. und 18. Jahrhundert? Die Intervention von Alÿs verbindet die beiden Dinge nur bedingt. Aber man kommt sich vor wie beim Ostereier suchen. Es ist lustig und bringt einen auch dazu, genauer hinzuschauen. Ob man alle 370 Fabiolas findet, ist aber unwichtig.

Francis Alÿs Fabiola. Haus zum Kirschgarten Basel, bis 28. August.

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