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Kirchengeschichte in der Kugel

Kirchengeschichte in der Kugel

Als die Handwerker Ende Mai die Reinacher Kirchturmkugel vom Turm holten, wurde sie noch vor Ort geöffnet und nach hinterlegten Dokumenten durchsucht. Interessante Papiere kamen zwar zum Vorschein, historische Trouvaillen jedoch fehlten.

Ein alter Brauch will, dass wie bei Grundsteinlegungen üblich, Kupferbüchsen mit Dokumenten in die Kirchturmkugeln gelegt werden. Als am 28. Mai die Reinacher Kugel vom Turm geholt wurde war das Interesse des Publikums gross, zu erfahren, was die Vorfahren in die Kugel gelegt hatten. Der Reinacher Historiker hat die Dokumente gesichtet und beschrieben. Nebst zahlreichen Zeitungen aus dem 19. Jahrhundert und zwei Broschüren kamen Schriftstücke älteren Datums zum Vorschein.

Ein zweiseitiges Schriftstück aus dem Jahr 1852 hat die Volkszählung von 1850 zum Inhalt. Die Kirchgemeinde zählte 6998 Einwohner, Reinach allein 2841. Interessant aus diesem Jahr sind die Hinweise auf die Verfassungswirren und auf den «Stillstand der Baumwollindustrie, welche dem grösseren Theil unserer Bevölkerung die Haupterwerbsquelle bildet». Unter anderem führt der unbekannte Verfasser negativ wirkende Leute aus Reinach auf, so genannte «Kannengiesser», was politische Schwätzer bedeutete.

Ein Schriftstück von 1884 wurde vom damaligen Pfarrer G. Amsler verfasst und geht auf die Volkszählung von 1880 ein: «Reinach zählt jetzt 2859 Protestanten, 79 Katholiken und 31 Personen anderer Konfessionen. Die ganze Kirchgemeinde mit Menziken, Beinwil, Leimbach und Burg wies 7510 Einwohner auf.

Neue Orgel für 13 000 Franken

Am 18. August 1878 hatte die Kirchgemeinde beschlossen eine neue Orgel mit 19 Registern für 13 050 Franken anzuschaffen. Die Firma Goll in Luzern erhielt diesen Auftrag. Aus Akustikgründen musste damals die Orgel statt wie bisher in den Chor auf die Empore gestellt werden. Pfarrer Amsler erwähnt auch, dass 1883 bis 1884 das Kirchturmdach repariert wurde: Die bisherige Schindelbedachung wurde abgetragen.

Reinach wächst auf über 3000 Seelen

In einem vierseitigen Schriftstück von 1904 weist der damalige Präsident der Kirchenpflege, F.G. Hediger nach, dass Reinach jetzt 3385 Reformierte und 196 Katholiken zählte. In Leimbach lebten 237 Reformierte und 1 Katholik. Im Sommer 2004 erhielten Kirche und Turm einen neuen Verputz und die Fensterbänke wurden aus Luzerner Sandstein erneuert. Damals wurde auch die Blechkugel unter der Windfahne vergoldet.

Das jüngste Schriftstück, verfasst von Pfarrer Paul Zimmerlin, stammt von 1936. Damals wurde der Kirchturm renoviert: Er erhielt eine Kupferbedachung, die Kirchturmuhr aus dem Jahre 1710 wurde ersetzt und ein elektrischer Glockenantrieb eingebaut. Interessant ist der Hinweis auf das nächste Projekt der Kirchgemeinde: «Erstellung eines Kirchgemeindehauses im Pfrundbaumgarten - Vorarbeiten und Pläne sind bereits gemacht».

Interessant, aber nicht wertvoll

Laut Peter Steiner steckten keine historisch wertvollen Dokumente in der Kugel. «Immerhin erfahren wir etwas über die Bevölkerungsentwicklung, die personelle Zusammensetzung der jeweiligen Kirchenpflege und über die durchgeführten Reparaturen», sagt Steiner.

Die Kugel wird jetzt in Stand gestellt und neu vergoldet. Bevor sie die Spengler samt Krone und Windfahne auf der Kirchturmspitze montieren, liegt es an der heutigen Kirchenpflege, die bisherigen Dokumente mit Bildern und Texten aus der Gegenwart zu ergänzen. Die Nachfahren sollen sich bei einer späteren Kirchenrennovation ebenso gespannt fragen, was sich wohl in der Kugel verbirgt.

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