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Popmusiker

Harry Styles hat bereits die Welt der Musik und der Mode erobert und dabei ein neues Männerbild geschaffen – nun wird er auch noch Filmstar

In Venedig präsentierte Styles zusammen mit seiner Freundin Olivia Wilde ihren Film «Don’t Worry Darling». Und wurde einmal mehr am roten Teppich heiss ersehnt.

Auf dem roten Teppich in Venedig: Harry Styles mit Filmpartnerinnen Sydney Chandler (links) und Gemma Chan. 
Bild: EPA/ETTORE FERRARI

Obwohl die Spätsommersonne auf dem Lido unerbittlich vom venezianischen Himmel brennt, harren zahlreiche, überwiegend junge Fans unermüdlich unter dem Schutz ihrer Schirme aus. An der Bootsanlegestelle des Festivalzentrums ebenso wie am roten Teppich. Dort kommt es schliesslich zu einem Kreisch-Ausnahmezustand, wie es ihn in dieser Grössenordnung selbst bei den Filmfestspielen in Venedig selten gibt. Objekt der ausdauernden Fanbegierde: Harry Styles, der den Film «Don’t Worry Darling» von Regisseurin Olivia Wilde vorstellte.

Dass Styles sich zu dem Pop-Phänomen entwickeln würde, das er heute ist, war 2010 noch alles andere als absehbar. Als netter 16-Jähriger von nebenan stand der Lockenkopf damals bei «The X-Factor» auf der Bühne und stimmte Stevie Wonders «Isn’t She Lovely» an. Als Solosänger eliminiert, landet er in der TV-Show letztlich in der Casting-Band One Direction und mit ihr letztlich zwar nur auf dem dritten Platz. Zu einer der erfolgreichsten Boybands aller Zeiten wurde sie trotzdem.

Berauschendes Stilbewusstsein

Bis 2016 brachte er mit seinen Band-Kollegen Teenherzen zum Beben, dann ging One Direction in den Schlummerstatus. Seitdem jedoch hebt Styles Solo-Karriere ab: Er landete Hits wie «Watermelon Sugar» und hat bisher drei Alben veröffentlicht, zuletzt «Harry’s House» im Mai dieses Jahres. Statt auf gängigen Plastikpop setzt er mit ausdrucksstarker Stimme auf eine Mischung aus Singer-Songwriter-Folk und eingängigem Pop-Rock, mal intim, mal stadiongross.

Der inzwischen 28-Jährige beweist zudem immer wieder berauschendes Stilbewusstsein und prägt den Zeitgeist – vor allem mit starken Akzenten in der Modewelt. Dabei entzieht er sich gängigen Kategorien. Er ist weder Macho noch Alphamännchen. Vielmehr verkörpert er in oft aufsehenerregenden Looks seine Version moderner Männlichkeit mit Struwelfrisur und ewig jungenhaftem Charme.

Auf den Spuren von genderfluiden Musikikonen wie David Bowie oder Freddie Mercury verschiebt Styles dabei die Geschlechtergrenzen. Ohne Furcht vor seiner femininen Seite hinterfragt er den Männlichkeitsbegriff in der Mode.

Mal posiert in er in Röcken, mal tauchte er im Jumpsuit mit Rüschenbluse, Hackenschuhen und Perlohrringen zur New Yorker Met-Gala auf. Im Dezember 2020 war er selbstbewusst auf dem Cover der «Vogue» in einem hellblauen Rüschenkleid zu sehen. Bei seiner Ankunft in Venedig wurde Styles hingegen im Wassertaxi mit lässigem 70er-Outfit und rollenlosem Handkoffer von den Paparazzi abgelichtet.

«Don’t Worry Darling», der Anlass seines Abstechers in die Lagunenstadt, entlarvt sich als Psychothriller. Er führt in die 50er-Jahre in den USA zurück, in eine überaus aufgeräumte Kleinstadt in der Wüste, wo die Frauen für Familie und Haushalt zuständig sind, während die Ehemänner morgens mit ihren schicken Autos zur Arbeit beim mysteriösen «Victory»-Projekt fahren. Der Film ist dabei sichtbar verliebt in die damalige Zeit.

«Wir waren sehr an den Problemen interessiert, die Nostalgie mit sich bringt», erklärte die Regisseurin in Venedig. Die Arbeit an dem Film habe zu der Zeit des Slogans «Make America Great Again» begonnen. «Und wir hinterfragen, was damit gemeint ist.» Schliesslich ist die Oberfläche hier deutlich zu perfekt. Nicht erst seit Filmen wie «The Stepford Wives» oder David Lynchs «Blue Velvet» ahnt man schnell, dass irgendwas an dieser Sache und mit den sauberen Fassaden nicht stimmt.

Auch die von Florence Pugh verkörperte Alice, Styles treu sorgende Ehefrau im Film und die eigentliche Hauptfigur, versucht gegen alle heftigen Widerstände herauszufinden, was es mit dieser glamourösen, sektoiden Gemeinschaft auf sich hat. Dieses Geheimnis ist auch der Antrieb des Films, der zum Ende hin erwartungsgemäss alles noch einmal unerwartet auf den Kopf stellt.

«Don’t Worry Darling» ist dabei so spannend und voller Fragezeichen wie das, was sich wohl hinter den Kulissen der Produktion alles abgespielt hat. Schon Monate vor der Premiere in Venedig führte der Film wiederholt zu Schlagzeilen, vorzugsweise in der Klatschpresse. Das lag nicht nur daran, dass Styles für Schauspieler Shia LaBoeuf einsprang, sondern auch daran, dass der Popstar und seine zehn Jahre ältere Regisseurin seit dem Dreh medienwirbelwirksam ein Paar sind.

Alle Augen auf Styles

Bei der Pressekonferenz in Venedig hielten sie professionelle Distanz und sassen auf dem Podium an entgegengesetzten Enden – zwischen ihnen Schauspielerin Gemma Chan und Filmkollege Chris Pine. Dass Hauptdarstellerin Pugh allerdings erst zur Premiere und nicht zur Pressekonferenz kam, fütterte weiter die Gerüchte von Unstimmigkeiten zwischen ihr und Wilde. Offizielle Begründung für Pughs späte Anreise: Ihre derzeitigen Dreharbeiten zu «Dune 2».

Die Aufmerksamkeit galt aber ohnehin vor allem ihrem Kollegen Styles. Welche Arbeit er mehr mag, Musik oder Kino? Neugierig ist er auf beides. «Musik zu machen, ist eine sehr persönliche Sache», sagte er daraufhin. «Beim Schauspiel greift man zwar auch auf Erfahrungen zurück, die man gemacht hat, aber grösstenteils gibt man vor, jemand anderes zu sein und erforscht andere Welten.» In «Don’t Worry Darling» wird er als Schauspieler, abgesehen von ein, zwei Szenen, zwar nicht wirklich gefordert. Doch er füllt seine Rolle mit Charme und Stil in den eleganten Anzügen und Outfits der damaligen Zeit.

Auch in Venedig war Styles wieder ganz Fashion-Ikone: Beim Foto-Call posierte er in dunkelblauen Schlaghosen, im Gucci-Sakko und mit blau gestreiftem Halstuch über dem Brusthaar für die Fotografen, abends trug er im Seventies-Stil einen dunkelblauen Anzug und ein Hemd mit gigantischem Kragen. Der Hingucker des Tages war er auf dem Festival in Venedig so auf jeden Fall. Ob er aber stundenlanges Warten wert war, müssen andere beantworten.

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