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Kolumne

«Glamour, mon amour»: Die Frau mit der Sauschrift

Unsere Kolumnistin kann ihre Handschrift nicht immer wieder entziffern. Das bereitet ihr dann und wann Probleme.
Schnürlischrift gilt als schwierig zu lesen – oft können nur Vertraute der Autorin ihre Geheimnisse verstehen.
Bild: TBM

Die heutige Kolumne bereitet mir Kopfzerbrechen. In meiner Agenda steht der Schreibbefehl «Kolumne!» und dahinter habe ich auch schon vor ungefähr einem Monat drei Stichworte notiert. Leider habe ich keine Ahnung mehr, was ich damit gemeint haben könnte. Das mittlere Wort heisst vermutlich «oder», doch das erste könnte «Ingo», «Ingwer», «Imago», «Lüge» oder «Inzest» bedeuten. Und das dritte? «Lama», «Laura», «Lara» oder «Laden». Ergibt alles keinen Sinn. Weder vereinzelt noch vereint.

Ich machte deshalb den altägyptischen Test und stellte meine Agenda auf den Kopf. Ich hatte nämlich in einer «Kleinen Geschichte der Handschrift» der Uni Hildesheim gelesen, dass unser A aus einer umgekehrten Stierkopf-Hieroglyphe der Alten Ägypter entstanden sei. Die Beine des As waren einst die Hörner des Stiers. Es half alles nichts. Handschrift ist Glückssache. Würden Sie mich jemals um ein Autogramm bitten, Sie wüssten sofort, was ich meine.

Meine Tragödie ist ja, dass ich für eine Frau, die ihr ganzes Leben mit Schreiben verdient, noch nie eine schöne Handschrift hatte. Wirklich nie. Ich habe das neulich historisch überprüft. Meine Eltern hatten mir alte Zeichnungen und Aufsatzhefte mitgebracht, und ich sah, dass ich einst eine fantasievolle Zeichnerin und schier makellose Texterin, aber eine völlig untaugliche Schnürlischrift-Künstlerin gewesen war.

Inhaltlich strotzen meine Aufsatzhefte nur so vor 5-6 und 6, aber daneben steht erschütternd oft die Zusatzbemerkung «Schrift 3-4». Zum Beispiel unter einem rührenden und dramaturgisch recht reifen Aufsatz, den ich in der 4. Klasse über das Sterben meines ersten und letzten Meersäulis geschrieben hatte. Es war beige und nierenkrank, versteckte sich gerne in Kartonschachteln und hörte auf den Namen Pu – wie Pu der Bär. Wenn mich nicht alles täuscht, schmückten wir sein Grab im Garten mit einem kleinen Holzkreuz und einem Mini-Grabstein, doch da nichts davon in dem ansonsten sehr akkuraten Aufsatz steht, handelte es sich beim ungenau erinnerten Grab vielleicht auch um das der Katze Lavendel oder der Katze Romy. So ist es eben, wenn man versucht, aus Geschichte Geschichten zu machen: Irgendein Detail geht immer verloren.

Zu meiner Beruhigung fand ich im Beitrag der Uni Hildesheim eine nett gemeinte Erklärung für die sogenannte «Sauklaue»: Erstens sei sie «charakteristisch», was immer das bedeuten mag, und zweitens auch eine Art Geheimschrift, denn nur wer die Schreiberin oder den Schreiber wirklich gut kenne, könne sie entziffern.

Nun, es ist ja nicht so, dass ich heute nur noch mit Hilfe einer Tastatur schreiben würde. Auf meinem Tisch türmen sich Notizhefte voller «Gedankenstützen», die in dunklen Kinosälen entstanden sind, doch ich kann keine einzige von ihnen mehr entziffern. Und ich kenne mich wirklich gut. Nur mit Einkaufszetteln bin ich besser. Die ergänze ich auch manchmal mit sachdienlichen kleinen Zeichnungen. Wie die Alten Ägypter.

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