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Wort des Jahres

«Frauen-Nati»: Ein spektakuläres Eigentor der Sprachvirtuos:innen

Mit ihrem Wort des Jahres in der Deutschschweiz hat sich die zuständige Jury verdribbelt – auf Kosten der Nati um Lia Wälti und Livia Peng, die uns im Sommer so begeistert hat.
Hat Grund zum Jubeln: Die Schweizer Nati bei der EM im eigenen Land.
Bild: Keystone

Eigentore sind ärgerlich. Und am aller ärgerlichsten sind jene, die in die Kategorie «gut gemeint» fallen: Also etwa spektakuläre Rückpässe auf den abwesenden Torwart, unbedrängte Kläraktionen per Flugkopfball oder wenn vor lauter Welterklären vergessen wird, was eigentlich grad für ein Spiel läuft.

Letzteres ist der Jury zum Schweizer Wort des Jahres passiert.

«Frauen-Nati» ist das deutsche Schweizer Wort des Jahres. Es verweist «Zollhammer» und «Chlorhuhn» auf die Ehrenplätze. Und es verdrängt  damit vor allem: Donald Trump. «In den Augen der Jury hat neben den schweren wirtschaftspolitischen Themen der Sport als positives Gegengewicht bewegt und begeistert», heisst es in der Mitteilung. Zehn «Sprachforschende, Autor:innen, Sprachvirtuosen, Sprachstudierende und Journalist:innen» seien «nach 150 Minuten» zu diesem Schluss gekommen. Aha.

Die anderen Sprachregionen sind pessimistischer

Wichtig ist nicht, was am wichtigsten war. Sprache, so die Jury, soll Hoffnung geben. Eine Kerze in der Dunkelheit der Welt sein. Wenn wir alle nur genug oft und genug laut «Frauen-Nati» sagen, sinken die amerikanischen Zölle automatisch auf zwei Prozent und auch die anderen Konflikte gehen rasch vorüber.

Das hätten die Deutschschweizer mal besser ihren französischsprachigen Freunden und Tessiner Kolleginnen mitgeteilt. Im Welschland wurden «Genozid», «39 Prozent» und «Streik» zu den Worten des Jahres gewählt. Im Tessin «Zölle», «Dauerkrise» und «Aufrüstung». Wo bleibt da die Zuversicht? Ein Grund mehr, die zweite Landessprache rasch aus dem Stundenplan zu streichen, so viele depressive Worte ertragen unsere Schüler und Schülerinnen nicht.

Natürlich: Die Europameisterschaft in der Schweiz in diesem Sommer war ein tolles Ereignis. Die Freude war ansteckend, die Begeisterung ebenso. Tolle Spiele, tolle Fans, tolles Rahmenprogramm. Es war ein Fest. Und Auslöser dieser Begeisterung war das Team von Pia Sundhage und das gute Abschneiden der Nati.

Einig Volk von Schwestern und Brüdern

Aber: War es nicht genau deswegen schön, weil Pilgrim, Peng und Reuteler es schafften, dass «Nati» nicht mehr per se als maskulin gelesen wird? Wir alle sind Nati. Nicht mehr nur ein einig Volk von Brüdern, die Schwestern sind jetzt auch dabei. Und endlich mussten wir das auch nicht immer betonen. Nicht Frauen-Fussball. Sondern Fussball. Nicht Frauen-Nati. Sondern Nati.

Dass nun zahlreiche Mädchen motiviert in die Fussballclubs stürmen, hängt eben damit zusammen, dass nicht mehr von Mann- und Frauschaften gesprochen wird. Es ist normal. Es geht um Fussball. Nicht um Männerfussball und nicht um Frauenfussball. Wer diese Unterscheidung macht, betont weiter das Trennende. Das ist schade. Und es ist kein gutes Gegengift zu Spaltern wie Trump.

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