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Luzerner Theater

Filmemacherin Bettina Oberli inszeniert Tschaikowski: Keine Befreiung aus Teenager-Fantasien

Langes Warten auf einen magischen Theatermoment: Die Filmemacherin Bettina Oberli inszeniert in Luzern ihre erste Oper, Tschaikowskis «Eugen Onegin». Sonderapplaus gabs an der Premiere vom Freitag vor alllem für die Ausführenden.

An der Premiere am Freitag gabs viel Applaus vor allem für die Sängerinnen und Sänger: Eyrun Unnarsdóttir (Tatjana),  Jirí Rajnis (Onegin),  Robert Maszl  (Lenski) und Marcela Rahal (Olga).
Bild: Bild: Ingo Höhn

Wenn eine Filmemacherin wie Bettina Oberli erstmals eine Oper inszeniert, erwartet man einen «naturalistischen Realismus», wie man von ihren Filmen kennt. Ihn versprach die Regisseurin denn auch für ihre Inszenierung von Tschaikowskis «Eugen Onegin», und die Premiere am Freitag löste im Spiel der Menschen auf der Bühne diesen Anspruch mit einem geradezu filmischen Realismus ein. Aber Oper solle auch, wie jede erzählerische Kunstform, «Überraschungen» und «sinnliche Verführung» bieten. Dafür, so Oberli, «geht man in die Oper oder ins Kino».

Eine Überraschung bieten zunächst die knallbunt-verspielten Kostüme von Laura Locher. Sie passen so gar nicht zur Melancholie von Tschaikowskis Musik und dieser Coming-of-Age-Geschichte. Denn in dieser weist Onegin die mädchenhafte Liebesschwärmerei der Tatjana zurück und wird später von der inzwischen verheirateten Frau seinerseits abgewiesen.

Auf die sinnliche Verführung dagegen müssen wir in dieser Geschichte einer verpassten grossen Liebe lange warten. Bis sich im dritten Akt – Jahre später – der Bühnenboden unter Tatjanas Füssen wie ein Auge öffnet, als dessen Bedeckung wie ein Vorhang zur Seite gezogen wird. Dann häutet sich die ganze, sich nach hinten ausweglos verengende Bühne. Und wir blicken wie nach einer filmischen Überblendung in eine andere Welt, deren Wände nicht mehr erodieren, sondern unverrückbar wie in golden schimmerndes Metall gegossen sind (Bühne: Alain Rappaport): Ein magischer Theatermoment.

Emanzipation ohne Befreiung

Landszenen als Teenager-Fantasien.
Bild: Bild: Ingo Höhn

Damit vollzieht die Bühne selber die Wandlung Tatjanas vom schwärmerischen Teenager zur selbstbestimmten Frau. In der Pause rätselten Premierenbesucher noch, wie die manchmal etwas läppische Ironie der Kostüme gemeint sein könnte. Nachdem sich das Bühnenauge geöffnet hat, wird klar: Die Szenen auf dem Land repräsentierten zuvor mit Babydolls, Puppenheim und bonbonfarbenem Herrenschick jene jugendliche Traumwelt, in der selbst Tatjana noch glaubt, dass es Helden wie in ihren Romanen auch in der Wirklichkeit gibt. Den Gegensatz dazu akzentuiert Oberli bei der abermaligen Begegnung des verhinderten Liebespaars dann aber so brav und konventionell, dass man die Emanzipation der Frau doch nicht als Befreiung erlebt.

Die Befreiung aus schematischen Mustern bleibt deshalb dem durchweg ansprechend besetzten Sängerensemble überlassen. Jirí Rajnis lässt mit prachtvollem Bariton schon beim gelangweilten Onegin die Energie aufflackern, die in seiner späten Liebe zu Tatjana vulkanisch ausbricht. Eyrun Unnarsdóttir steigert und übersteigert zuweilen den Mädchenton der Tatjana zu gebieterischer Leidenschaft. Viel Theaterblut verströmen Marcela Rahal als verschwenderische Olga und Robert Maszl als vokal mehr erregter als betörender Lenski. Während der Theaterchor grosse Oper beisteuert, betört das Luzerner Sinfonieorchester mehr mit musikalischem Kammerspiel. Und wenn die Discokugel alles in ihren Sog nimmt, werden selbst die Grenzen von Kitsch und Ironie aufgehoben und ist diese Inszenierung sinnliche Verführung pur.

Nächste Vorführungen: 9., 23. Oktober (bis 26. Dezember), www.luzernertheater.ch

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