1. Dimitri (1935–2016): Der Clown
Dimitri starb überraschend am 19. Juli. Es war eine sehr traurige Nachricht. Und doch, welch ein Widerspruch: Über Dimitri zu reden, war inmitten der Meldungen von Terror und Gräueltaten rund um die Welt nicht nur berührend, sondern auch tröstlich.
Dimitri war ein Sinnbild für die Sonnenseite des Menschen. Der Clown, der sein Leben lang den Menschen Freude bereitete, sie zum Lachen brachte, sorgte selbst nach seinem Tod dafür, dass positive Töne die Trauer milderten.
Der ehemalige Bischof Pier Giacomo Grampa sagte an der Abdankungsfeier in Locarno: «Da ein Clown nie in Pension geht, wird er nun die Engel zum Lachen bringen.» Und Franz Hohler war sicher, dass Dimitri «in einem Gästezimmer unserer Herzen» weiterleben wird.
Selbst Witwe Gunda Dimitri war erleichtert über die Fröhlichkeit bei der Abdankung. Clowns, Gesang, Tanz und Musik zeigten eindrücklich, in welch poetischer Welt Dimitri selber dachte, lebte, arbeitete – und an der er die Menschen gerne teilhaben liess.
Über seine Poesie, seine grosse Kleinkunst, sein Talent, seinen Optimismus, sein Engagement in Gesellschaft und Politik, für Kultur und Künstlerausbildung, seine zurückhaltende, leise Art sprach man nicht nur mit Respekt, sondern – was gibt es Schöneres! – mit Freude und mit Liebe. (Sabine Altorfer)
2. Daniela Lager: Die Erfahrene
Es wäre leicht übertrieben zu sagen, das Land sei Daniela Lager 13 Jahre an den Lippen gehangen. Dafür war Lager als Moderatorin zu wenig aussergewöhnlich. Aber sie war halt da, wenn man um 10 Minuten vor 10 den Fernseher einschaltete, und so unangenehm war das jeweils nicht.
Natürlich, da schimmerte ab und zu eine leichte Überspanntheit durch die Moderation. Aber abgesehen davon war das eine sachliche, ruhige Beziehung zwischen TV-Zuschauern und Daniela Lager.
Nicht die grosse Liebe. Wie zu einem Heiri Müller, Charles Clerc oder zu Susanne Wille. Aber eine Beziehung, geprägt durch Respekt und Akzeptanz – und das lernt man mit der Zeit auch schätzen.
Nun, mit 52 Jahren, tritt Lager hinter die Kamera, wie es heisst. Und irgendwie wird man den Verdacht nicht los, dass die Zahl 52 da doch eine gewisse Rolle spielt bei ihrem Abgang.
Schade. Man hätte ihr gerne zugeschaut beim Altern am Schirm. Aber dieses Privileg ist nach wie vor TV-Männern vorbehalten, das «würdig» Alt-Werden am Schirm. Ergrauen die Herren, dann fügt man ihren Porträts Adjektive wie «routiniert» und «erfahren» hinzu.
Frauen wechseln hinter die Kamera. Und der «Blick» stellt sabbernd und geifernd, das Nachfolge-Kandidatinnen-Quartett zusammen. Nicht nur, aber auch darum, ist es schade, dass Daniela Lager aufhört. (Benno Tuchschmid)
3. Markus Werner: Der Tiefgründige
Nicht sich, sondern seine Bücher wollte er für sich sprechen lassen. Dem Literaturbetrieb kehrte er den Rücken. Er lebte zurückgezogen, nicht erst, seit ihm eine Lungenkrankheit den Atem für weitere Bücher raubte.
Den Rücken kehrten seine Figuren auch der Welt. Seine Bücher handelten von existenziellen Themen, und von einer Welt, die für seine Figuren nicht geschaffen war. Die Welt jedoch liebte ihn, zumindest in der Schweiz und spätestens seit seinem letzten Roman «Am Hang», mit dem Markus Werner 2004 der Durchbruch gelang.
Die Geschichte der beiden Männer, die sich in einem Hotel mit ihren unterschiedlichen Lebenskonzepten duellierten, bis sich am Ende herausstellte, dass die beiden weit mehr verband, als sie angenommen hatten, feierte Erfolge auf Theaterbühnen und im Kino, vor allem aber als Text.
Mehr als 100 000 Exemplare gingen über den Ladentisch, und doch blieb der Roman Werners letztes Buch. Seinen unverwechselbaren Stil, einfach zu lesen und doch sorgfältig und präzise gearbeitet, hatte Markus Werner bereits mit «Zündels Abgang» gefunden.
Es war der erste seines sieben Romane umfassenden Werkes. Nach seinem Tod am 3. Juli bleiben diese sieben schmalen Bücher. Sie sind schnell gelesen, hallen aber lange nach. (Anne-Sophie Scholl)
4. The Avalanches: Die Rückkehrer
16 Jahre Funkstille sind eigentlich unverzeihlich. Als die australische Band The Avalanches 2001 ihr Debütalbum «Since I Left You» veröffentlichte, wurde es zu einem Instant Classic.
Wie die Soundtüftler aus Melbourne Samples von alten Platten mit elektronischen Beats mixten, war einzigartig, aufregend – und ihrem grossen Vorbild, den Beastie Boys, um Längen voraus. Musikkritiker sprechen noch heute von einem der besten Alben der Nullerjahre.
Doch nach der weltweiten Mega-Tour wurde es still um The Avalanches. Jahre vergingen ohne Lebenszeichen. Fans gaben die Hoffnung auf neue Musik auf. Und jetzt das: die Rückkehr, und was für eine! The Avalanches are back! Anfang Juli veröffentlichte das Kollektiv um Robby Chater, Tony Di Blasi und James Delacruz endlich sein zweites Album, «Wildflower».
Es ist ein Meisterwerk. The Avalanches scheren sich nicht um Trends, sondern sind ihrem unverkennbaren Stil treu geblieben. Wieder haben sie ihre gigantische Plattensammlung geplündert und daraus einen erstaunlich homogenen und frischen Mix aus Soul, Hip-Hop und Electro geschaffen.
Es ist der perfekte Soundtrack für warme Sommertage – als chillige Hintergrundmusik zum Grillfest, oder als kaleidoskopartige Entdeckungstour der weiten Musikwelt. Alles sei verziehen – die lange Wartezeit hat sich definitiv gelohnt. (Lory Roebuck)
5. Joanne K. Rowling: Die Schlaue
Deko in Gold, Sessel aus Plüsch, Lüster mit Kristallglanz – opulenter als das Palace Theatre London war eine Hintertür noch nie.
Ein Theater als Hintertür? Nichts anderes praktiziert Joanne K. Rowling diesen Samstag, wenn es heisst: «Vorhang auf für Harry Potter and the Cursed Child».
Harry Potter ist tatsächlich zurück! Dabei schwor die Autorin 2007 Stein und Bein, nach dem siebten Band sei Schluss mit den Romanen um den Zauberlehrling. Sie hat ihr Wort gehalten.
Ein Roman ist der neue Potter nämlich nicht. Aus ihrem magischen Buchhelden (mit Marktwert um geschätzte 15 Milliarden Dollar) hat die smarte Autorin – abrakadabra – kurzerhand eine Bühnenfigur gemacht. Und das Abenteuer geht weiter.
Mittlerweile sind die Zauber-Eleven Harry, Hermione und Ron erwachsen geworden und bringen ihre Kinder ins Internat Hogwarts; dabei soll eine wichtige Begebenheit aus Harrys Kindheit eine Schlüsselrolle spielen. Ganz ohne Magie waren die Karten – in bester Potter-Manier – sofort bis Mai 2017 ausverkauft.
Für alle, die der Zauber von Joanne K. Rowling ebenfalls in der Nase zu kitzeln beginnt: Ab Sonntag ist der englische Bühnentext weltweit in Buchform erhältlich. Sesam, beziehungsweise: Hintertürchen öffne dich! Wenn Rowling nicht so eine erfolgreiche Autorin wäre, könnte sie sich glatt als Entfesselungskünstlerin versuchen. (Anna Kardos)
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