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Popkultur-Glosse

Diana, Elvis, Jeffrey Dahmer: Hollywood liebt Biopics – die Realität spielt nur eine Nebenrolle

Achtung, Spoiler! Muss man das bei einem biografischen Film noch sagen? Wir wissen ja schon, was passiert. Aber warum schauen wir dann überhaupt Filme mit «echten» Storys? Weil sie unterhaltsam sind – auch wenn die Sache mit der Echtheit nicht ganz so genau genommen wird. Also trotzdem: Achtung, Spoiler!

Hollywood liebt Filme über Menschen, die es wirklich gab. Aktuell geplant oder bereits in Arbeit sind zum Beispiel Filme über Madonna, Michael Jackson, Audrey Hepburn, Amy Winehouse, Napoleon, Bob Dylan, Anna Nicole Smith, Bob Marley und Whitney Houston.

Und die Schauspieler reissen sich um die Rollen, denn sogenannte Biopics – «Biographical Pictures» – sind quasi eine Garantie für eine Oscar-Nomination. Nicht nur, weil sich die Darsteller dafür äusserlich komplett verwandeln, sondern auch, weil diese Filme vor allem eines sind: überdramatisch.

Seit dieser Woche läuft die 5. Staffel von «The Crown» auf Netflix. Als grosser Royal-Fan fand ich die Serie immer grandios. Die jungen Jahre der Queen und die Kindheit von Charles habe ich quasi in einem Rutsch durch gesuchtet.

Auch die neue Staffel ist gut und die Darsteller sogar perfekt. Trotzdem bin ich nicht mehr begeistert. Jetzt, wo wir in den 90er-Jahren angekommen sind und damit voll im Diana-Drama, ist die Serie irgendwie zu nah dran – und doch weiter von der Realität entfernt als jemals zuvor.

«The Crown» verwischt die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion: Elizabeth Debicki als Diana.
Bild: Keystone

«Kreativen Freiheiten»

In dieser Staffel mussten die Macher die Serie erstmals als «Fiktionale Dramatisierung» bezeichnen. Damit soll klargestellt werden, dass die historischen Ereignisse zwar passiert, die privaten Gespräche zwischen den Royals aber frei erfunden sind. Welchem Hirni muss das denn erklärt werden? Das dachte ich zumindest bis jetzt. Aber die «kreativen Freiheiten», die sich die Macher erlauben, wirken jetzt doch ganz schön Skandal-geil. Vor allem, wenn es um Diana geht.

Zum Beispiel ihr schockierendes BBC-Interview von 1995 mit ihrem berühmten Satz, dass sie in der Ehe mit Charles zu dritt gewesen seien. Prinz William hat erst letztes Jahr gefordert, dass das nicht mehr öffentlich gezeigt wird, weil Diana dazu unter Druck gesetzt und manipuliert wurde . Aber in «The Crown» wird diese Manipulation nicht nur durch zwei Folgen gezogen und das Interview detailliert nachgestellt, es wird auch gezeigt, wie ein junger William es sieht und darunter leidet.

In einer anderen Szene ist Diana mit dem Auto unterwegs, als die Bremsen plötzlich nicht funktionieren und sie glaubt, jemand habe sich daran zu schaffen gemacht. Das hat null Einfluss auf den Rest der Folge, dafür erinnert es daran, wie sie 1997 gestorben ist und gleichzeitig ist es völlig absurdes Futter für die ewigen Verschwörungstheorien. Aber egal, Hauptsache es weckt Emotionen.

Wen interessiert schon die Realität, wenn es um Einschaltquoten und Zuschauerzahlen geht? Dann wird ein echtes Leben halt etwas «spannender» gemacht. Ähnlich wie beim Marilyn-Monroe-Film «Blonde», der ihr Leben als eine einzige Opfer-Orgie zeigte und praktisch gar nichts mit der Realität zu tun hatte. Kreative Freiheiten halt.

Nostalgie und Neugierde

Umgekehrt stellen viele Biopics die berühmten Menschen auch als perfekter dar, als sie waren. «Elvis» ist der pure Nostalgie-Orgasmus. Dass der Sänger seine Romanze mit Priscilla begann, als er 24 und sie 14 Jahre alt war, wird gekonnt ignoriert.

Romantisch im Film, illegal in der Realität: Elvis und Priscilla.
Bild: Warner Bros.

Auch in «Jobs» wurden die nicht so netten Seiten von Steve Jobs einfach weggelassen. Und «Bohemian Rhapsody» hat genauso wenig mit der echten Story von Queen zu tun. Das fällt aber meistens nur Hardcore-Fans auf. Denn die meisten Biopics drehen sich um Menschen, die vor dem Internetzeitalter berühmt waren. Heute wissen wir mehr als genug über das Privatleben der Stars. Früher gab es nur kleine Einblicke. Ein Film gibt uns darum das Gefühl, ihnen näherzukommen. Und wir sind scharf auf dieses «echte» Drama.

Biopics haben ausserdem etwas Nostalgisches, was momentan ja gewaltig in ist. Sämtliche Disney-Filme bekommen ein Reboot, «Sex and the City» geht weiter, die «Top Gun»-Fortsetzung ist fast 40 Jahre nach dem Original ein Hit und angeblich plant Netflix sogar ein «Teletubbies»-Revival!

Zum Verwechseln ähnlich: Lily James als Pamela Anderson in der Serie «Pam & Tommy».
Bild: Disney+

Unterhaltsames Trauma

Das Problem mit Biopics ist aber nicht nur, dass die Filme ungefähr so nah an der Realität sind, wie die Teletubbies, sondern dass manche Menschen ihr eigenes Leben nicht auf die Leinwand geklatscht haben wollen.

Erst diese Woche erzählte «Stranger Things»-Star Millie Bobby Brown, dass sie gerne mal Britney Spears spielen würde. Die Sängerin selbst schrieb auf Instagram dazu: «Alter, ich bin noch nicht tot!» Nicht, dass das jemanden davon abhalten würde. Pamela Anderson hat zum Beispiel nie ihr Einverständnis zur Serie «Pam & Tommy» gegeben, indem es um ihr gestohlenes Sextape ging. Trotzdem wurde eine sehr schwierige Zeit in ihrem Leben fröhlich zu einer Serie verwurstelt.

Hoch gelobt und doch verstörend: Evan Peters als Jeffrey Dahmer.
Bild: Netflix

Noch schlimmer sind «True Crime»-Shows. Die Netflixserie «Dahmer» war zwar wirklich gut gemacht, aber die Opfer des Serienmörders, bzw. deren Familien sind immer noch da und finden die Ausbeutung ihres Traumas natürlich weniger lässig.

Natürlich sind Biopics nicht einfach per se schlecht. Ich finde zum Beispiel «Goodfellas», «Rocketman» oder «The Dirt» absolut genial. Aber Biopics machen gerne damit Werbung, dass die Geschichten genauso passiert sind. Und dabei geht manchmal vergessen, worum es eigentlich geht: echte Menschen.

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