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Popkultur

Der Schrei nach Gerechtigkeit für Barbie geht mir auf den Sack – Ken hat den Oscar verdient!

Ken wurde für einen Oscar nominiert, Barbie nicht und das ist ein Skandal! Das sehen zumindest sehr viele Leute so. Ich nicht. Bin ich plötzlich keine Feministin mehr?

Ich fand den «Barbie»-Film super. Tolle Story, fabelhafte Schauspieler und vor allem eine grandiose Message. Aber was ich am besten fand, war Ken. Ryan Gosling spielte alle an die Wand. Auch Barbie bzw. Hauptdarstellerin Margot Robbie. Das heisst in keiner Weise, dass sie eine schlechte Schauspielerin ist. Trotzdem gehen Tausende Fans auf die Barrikaden, weil Gosling für einen Oscar nominiert wurde, Robbie und Regisseurin Greta Gerwig aber nicht: «Wie passend für einen Film über einen Mann, der das Patriarchat entdeckt.» Das Ganze sei ein Beweis für eine frauenfeindliche Gesellschaft. Echt?

Ryan Gosling wurde als Ken zum absoluten Kult.
Bild: Bild: Keystone

Nicht falsch verstehen, Margot Robbie spielte Barbie und ihre existenzielle Krise tipptopp. Doch Ryan Gosling verkörperte Kens unbeholfene, unsichere und unreife Art mit jeder Faser seines Körpers. Die Rolle war nicht einfach unterhaltsamer geschrieben, Gosling machte sie mit seiner Darstellung zum Highlight.

Viele Schauspieler sagen, es sei schwieriger, das Publikum zum Lachen als zum Heulen zu bringen. Trotzdem werden Comedy-Rollen an den Oscars seit Jahren praktisch kaum beachtet. Sogar Robin Williams wurde ausschliesslich für seine brillanten, aber dennoch dramatischen Rollen nominiert und gewann schliesslich auch für «Good Will Hunting».

Doch nicht mal Ryan Gosling selbst will sich für seine Leistung wirklich feiern. Er fühle sich zwar sehr geehrt, aber «zu sagen, dass ich enttäuscht bin, dass Greta und Margot nicht in ihren Kategorien nominiert wurden, wäre eine Untertreibung.»

Margot Robbie ging in der Kategorie der Hauptdarstellerinnen leer aus. Doch wenn «Barbie» als bester Film gewinnen sollte, darf sie als Produzentin den Oscar nach Hause nehmen.
Bild: Bild: Keystone

Auch America Ferrera äusserte ihre Enttäuschung, obwohl sie für ihre Rolle in «Barbie» als beste Nebendarstellerin nominiert wurde. Und das als eine von bisher nur 13 Latina-Schauspielerinnen in der ganzen Geschichte der Oscars! Es ist noch nicht lange her, dass der Hashtag «Oscars So White» viral ging, nachdem 2015 sämtliche nominierten Schauspieler weiss waren. Aber klar, jammern wir doch wegen Margot Robbie, die bisher übrigens nichts dazu gesagt oder jemanden dazu animiert hat.

America Ferrera ist als beste Nebendarstellerin nominiert und bedauert, dass ihre «Barbie»-Kolleginnen nicht nominiert wurden.
Bild: Bild: Keystone

Apropos: Ich frage mich, welche der fünf Schauspielerinnen, die als beste Hauptdarstellerin nominiert wurden, die «Barbie»-Fans wohl als unwürdig erachten. Schliesslich gibt es nun mal nur fünf Plätze in dieser Kategorie und dieser Aufschrei bedeutet auch, dass mindestens eine der nominierten Frauen es nicht verdient hat. Genau das ist der ironische Gipfel in diesem ganzen Gemotze: Die Fans eines Filmes mit feministischer Botschaft schiessen auch gegen andere Frauen.

Ein Artikel der « Los Angeles Times » tut genau das und wird online fröhlich im Kampf gegen diese «Ungerechtigkeit» geteilt. Darin schreibt die Autorin: «Hätte Barbie nur ein bisschen Zeit als Sexarbeiterin verbracht. Oder einen Massenmord knapp überlebt. Oder wäre beschuldigt worden, Ken aus dem obersten Fenster ihres Traumhauses gestossen zu haben.» Dann hätte die Academy sie vielleicht eher beachtet.

Damit bezieht sie sich genau auf die Rollen der nominierten Schauspielerinnen Emma Stone in «Poor Things», Lily Gladstone in «Killers of the Flower Moon» und Sandra Hüller in «Anatomy of a Fall».

Übrigens: Lily Gladstone ist die erste amerikanische Ureinwohnerin, die für einen Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert wurde. Und sollte sie ihn abräumen, wäre sie neben Halle Berry und Michelle Yeoh erst die dritte Gewinnerin, die nicht weiss ist!

Lily Gladstone, die erste amerikanische Ureinwohnerin, die für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert wurde,  geht neben dem «Barbie»-Skandal irgendwie unter.
Bild: Bild: Keystone

Aber weiter mit dem Gemotze: «Wie um alles in der Welt wurden Greta Gerwig und Margot Robbie nicht für einen Film nominiert, der dafür sorgte, dass Kinobesuche wieder Spass machen?» An dieser Stelle möchte ich rasch klar und deutlich erwähnen, dass ich mich absolut als Feministin sehe. Und dass Greta Gerwig nicht als beste Regisseurin nominiert wurde, ist daneben. In dieser Kategorie sind Frauen gewaltig unterrepräsentiert.

Greta Gerwig ist die erste Regisseurin eines Films, der über eine Milliarde Dollar einspielte.
Bild: Bild: Keystone

Bisher wurden in fast 100 Jahren erst neun Frauen in dieser Kategorie nominiert und nur drei Regisseurinnen haben jemals gewonnen. Doch Gerwig ist nicht die einzige, deren Film dieses Jahr nominiert wurde, sie aber nicht. Celine Song geht es mit ihrem Film «Past Lives» gleich. Das interessiert aber offenbar niemanden. Und genau das ist der Punkt. Nur weil ein Film erfolgreich ist, garantiert das längst keinen Oscar. Egal wie wichtig die Botschaft oder wie gross der Hype ist. Ein paar Beispiele:

«Harry Potter»-Star Alan Rickman wurde nie für einen Oscar nominiert.

Regie-Legenden Stanley Kubrick und Alfred Hitchcock wurden nie als Regisseure nominiert.

Toni Collette wurde nicht für ihre hochgelobte Leistung im Horror-Drama «Hereditary» nominiert.

«We don’t talk about Bruno», der Hit aus dem Disneyfilm «Encanto», wurde nicht als bester Song nominiert.

«Kill Bill», «Scarface» und «The Shining» wurden jeweils in keiner einzigen Kategorie nominiert.

«Barbie» wurde nicht einfach links liegen gelassen. Ein Werk von Frauen über Frauen wurde in mehreren wichtigen Kategorien nominiert! Klar, der Kampf für Gleichstellung geht weiter, aber: Lasst uns die Siege unterwegs trotzdem gebührend feiern, statt sie mit einem «Ja, aber» klein zu machen.

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