Kulturförderung hat im Aargau Tradition – und seit 1968 ein eigenes Gesetz. Wie erneuerungsbedürftig ist sie? Oder anders gefragt: Wie reagiert der Leiter der Abteilung Kultur, Hans Ulrich Glarner, auf das Buch «Der Kulturinfarkt», bei dem Pro Helvetia-Direktor Pius Knüsel Mitautor ist?
Wie reagieren Sie darauf, bestehende Institutionen zu schliessen, um (finanziellen) Freiraum zu bekommen für Neues?
Hans Ulrich Glarner: Wie ein Löwe. Aber glücklicherweise besteht bei uns kein Grund zum Zähnefletschen. Der Aargau ist ein Kanton im Aufbruch, und da ist naturgemäss auch das Interesse an Kultur gross. Politik und Publikum tragen die Kulturinstitutionen sichtlich mit Freude und Engagement mit. Unsere Institutionen sind als Kristallisationskerne und Kompetenzzentren unverzichtbar. Sie sind zwar vergleichsweise klein und tendenziell unterfinanziert, verfügen aber über hervorragende Leute, die extrem viel leisten und Qualität bringen. Letztes Jahr ist das Museum Aargau zu den besucherstärksten Museen der Schweiz aufgerückt. Die Schweizer Feuilletons waren eben voll mit der Signer-Ausstellung im Aargauer Kunsthaus, und das Vermittlungsprogramm «Kultur macht Schule» wird schweizweit gepriesen. Dem Kulturkanton droht glücklicherweise kein Kulturinfarkt. Pius Knüsel kann mit seinem Defibrillator bei der Pro Helvetia bleiben und ihn von mir aus auf Bundesebene einsetzen.
Sehen Sie überhaupt Bedarf, Neues, anderes zu fördern? Gibt es Ideen im Buch, die Ihnen gefallen?
Pius Knüsel ist ein geschätzter Gesprächspartner und ich teile zum Beispiel seine Überzeugung voll und ganz, die Laienkultur zu stärken. Dadurch entsteht Expertise, Interesse und geschieht Integration. Wir tun dies im Musik- und Theaterbereich intensiv, und auch mit der Akzentuierung des immateriellen Kulturerbes. Und dass wir ein mündiges Publikum haben, ist für mich sowieso eine Selbstverständlichkeit. Ganz auf Knüsels Linie sind wir bezüglich Förderung der digitalen Kultur. Deshalb ist für den Regierungsrat das Animationsfilmfestival Fantoche zu einem Flaggschiff geworden.
Das Buch nennt zwar keine Aargauer Beispiele. Aber den «Oxer», die vage Idee einer Konzertbühne oder Pläne für ein neues Stapferhaus könnte man unter diesem Aspekt betrachten.
Für einen Konzertsaal könnte ich mich tatsächlich nur erwärmen, wenn etwas wirklich Neues und ganz Einzigartiges entstehen würde: ein Musiklabor, eine Salle Modulable für die Musik. Aber sicher nicht mehr vom Gleichen, das es in Luzern und Zürich schon gibt. Oxer, Kurtheater und Stapferhaus gibt es anderswo nicht! Hier wird Bestehendes und existenziell Wichtiges für das Kultur- und Theaterleben des Kantons oder die Auseinandersetzung mit Gegenwartsfragen weiterentwickelt. Wir müssen die Aargauer Spezialitäten stärken und immer wieder erneuern.
Und wie sehen Sie die Aargauer Leuchttürme in dieser Diskussion?
Der Vorschlag, die Anzahl Kulturinstitutionen zu halbieren, ist eigentlich nur ärgerlich. Hat man denn je ein Problem lösen können, indem man es halbiert? Wir arbeiten mit den geförderten privaten und kommunalen Kulturinstitutionen mit Leistungsverträgen. Wird die gemeinsam definierte Leistung nicht erbracht – in erster Linie ein qualitativ hochstehendes Programm, das über die Region ausstrahlt –, muss man genau dort ansetzen. Wir sind gegenwärtig an den ersten Neuverhandlungen für die Periode 2013–16. Da wird sehr genau hingeschaut. Nichts ist in Stein gemeisselt.
Welche Visionen haben Sie für die Kulturförderung?
In der Abteilung Kultur rücken die beiden traditionsreichen Institutionen Staatsarchiv und Kantonsbibliothek näher zusammen, um die digitalen Ressourcen, die in diesem Bereich äusserst wichtig sind, in Zukunft optimal nutzen zu können sowie für die audiovisuellen Quellen die richtigen Formen der Archivierung und Vermittlung zu finden. Wir schöpfen also aus den eigenen Ressourcen, um Neues zu ermöglichen. Da muss man auch Überholtes weglassen – im Kulturkanton ein stetiger Prozess.
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