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Künstliche Intelligenz

ChatGPT klaut deutsche Songtexte und erhält vor Gericht die Quittung – ein Fall mit Folgen

Im europaweit ersten Urteil zu KI-Trainingsdaten haben deutsche Richter das US-Unternehmen OpenAI wegen Urheberrechts-Verletzungen schuldig befunden. Der Fall könnte weitreichende Konsequenzen haben.

Das Landgericht München bremst OpenAI und seine generative künstliche Intelligenz ChatGPT. Die nicht autorisierte Nutzung von Liedtexten durch den US-Konzern für das KI-Training verstösst in den Augen der deutschen Richter gegen das Urheberrecht.

Sie gaben damit einer Klage der deutschen Verwertungsgesellschaft Gema in weiten Teilen recht, die konkret wegen neun Liedern geklagt hatte – darunter bekannte Titel wie «Männer» von Herbert Grönemeyer, «Über den Wolken» von Reinhard Mey, «In der Weihnachtsbäckerei» von Rolf Zuckowski oder «Atemlos», das zwar vor allem in der Interpretation von Helene Fischer bekannt ist, dessen Text aber von Kristina Bach stammt. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.

Was hat OpenAI getan?

Das US-Unternehmen hat Songtexte zum Training von ChatGPT, respektive für den Aufbau von grossen Sprachmodellen (LLMs) verwendet. Auf einfache Anfragen an den KI-Chatbot wurden sie daraufhin exakt oder zumindest weitgehend identisch wieder ausgegeben. Das wertete das Gericht als Beleg dafür, dass die Texte in den Systemen von OpenAI gespeichert worden waren.

Memorisiert oder nicht?

Dass die generative KI mit den neun Liedern trainiert wurde, war in dem Prozess unstrittig. Was danach passierte, war allerdings eine zentrale Frage. Wurden die Daten der Lieder memorisiert, also abgespeichert und damit vervielfältigt – oder führte das Training mit den Daten dazu, dass ChatGPT die Liedtexte neu erzeugte, ohne sie abgespeichert zu haben?

Das Gericht positionierte sich eindeutig und wertete die Tatsache, dass das System die Texte, mit denen es trainiert worden war, wieder ausgab, als Beleg dafür, dass es die Texte memorisiert haben muss. Eine zufällige Ausgabe sei ausgeschlossen.

Wie lautet das Urteil?

Das deutsche Gericht verurteilte OpenAI unter anderem dazu, es zu unterlassen, die Songtexte zu speichern und in seinen Modellen auszugeben.

Das US-Unternehmen wurde ausserdem zu Schadenersatz verurteilt und dazu, Informationen über die Nutzung und damit erzielte Erträge herauszugeben.

In einem Seitenaspekt entschied das Gericht gegen die Gema. Sie hatte auch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Künstler beklagt, weil die Texte verändert ausgegeben wurden. Dies sah das Gericht aber nicht so. Die Texte seien wiedererkennbar, betonte es.

Die Vorsitzende Richterin Elke Schwager fasste die Entscheidung am Ende ihrer Urteilsbegründung bildlich zusammen: Man habe eine hochintelligente Beklagte, die in der Lage sei, modernste Technologien zu entwickeln. Da mute es doch erstaunlich an, dass sie nicht erkenne: Wenn man etwas bauen wolle und Bauteile brauche – «dann erwerben Sie sie und nutzen nicht das Eigentum anderer.»

In diese Richtung geht auch die Gema, die mit ihrer Klage vor allem erreichen will, dass Lizenzen für die Nutzung der Liedtexte abgeschlossen werden.

Silke von Lewinski, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb sagt: «Es ist damit zu rechnen, dass der Fall bis zum Europäischen Gerichtshof gehen wird.»

Was sind die Folgen?

Der Chefjustiziar der siegreichen Klägerin, der Gema, Kai Welp, sagte, er gehe davon aus, dass das Urteil eine Signalwirkung für ganz Europa haben werde.

Es gilt als wahrscheinlich, dass das Urteil angefochten und noch weitere Instanzen beschäftigen wird. Die letztliche Entscheidung könnte Auswirkungen weit über Liedtexte hinaus haben, wie die Expertin Silke von Lewinski vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb vor der Entscheidung erklärt hatte.

Die Rechtsprofessorin sieht eine «grundlegende Bedeutung für alle Werke, sei es Literatur, journalistische Texte, Musik, bildende Kunst, Fotografie oder jegliche andere Werke, die für Generative KI benutzt werden. Hier geht es darum, wie die schon jetzt existierenden Gesetze auszulegen sind.»

Sollte die Gema auch in der letzten Instanz gewinnen, würde dies die Machtverhältnisse zwischen Kreativwirtschaft und den Technologieunternehmen ein Stück weit zugunsten der Urheber und anderer Rechteinhaber verschieben, zeigte sie sich überzeugt.

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