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Offener Brief

Bezos Monsterhochzeit: Die Nörgler sind zahlreich – und sie liegen falsch

Das Leben als Superreicher ist nicht so einfach, wie man denken könnte. Wir fühlen mit Jeff Bezos mit. Ein offener Brief.
Ein Kuss, der Venedig  provoziert: Jeff Bezos und Lauren Sánchez
Bild: Luca Bruno / AP

Lieber Jeff Bezos

Herzliche Gratulation Ihnen und Lauren Sánchez zur Hochzeit! Was für ein Fest! Die 200 Millionen Dollar, die Sie für die Party in Venedig ausgegeben haben, sind angesichts Ihres Vermögens von über 200 Milliarden Dollar äusserst bescheiden. Dennoch: Viel mehr Geld ausgeben für ein Fest geht wohl gar nicht. Und das ist natürlich ein Problem für Superreiche wie Sie. Schliesslich soll ja das Hochzeitsfest was ganz besonderes sein.

Ihre Idee ist deshalb bestechend. Sie mieten halb Venedig – und ziehen damit den Zorn ganz Italiens auf sich. «Kein Platz für Bezos», wird skandiert. Damit zeigen Sie: Nichts ist mir zu viel für diesen einen Tag, für diese eine Frau. Ich scheu keinen Kampf für die Liebe und gehe schon gar keine Kompromisse ein.

Natürlich hätten Sie auch anders heiraten können: Etwa so wie Mark Zuckerberg und Priscilla Chan 2012 – bescheiden. Die beiden gaben sich im Garten Ihres Hauses das Jawort. Für die geladenen Gäste war das eine Überraschung, schliesslich glaubten sie «bloss» zu einer Studienabschlussparty von Priscilla Chan eingeladen zu sein.

Schöne Idee. Aber passt nicht wirklich zu Ihnen, wäre verlogen. Die Botschaft: Ich bin nichts besonderes, bin einer wie ihr alle. Stimmt ja nicht – auch nicht für Zuckerberg. Sie sind ein Tech-Halbgott. Nach Ihrer Pfeife tanzen die Roboter in den Lagerhallen von Amazon. Sie befeuern die nächste KI-Revolution. Ihre Milliarden bestimmen, wohin sich die Welt dreht.

Okay, Sie hätten auch so wie Bill Gates und Melinda French 1994 heiraten können – unter grösster Geheimhaltung auf einer Insel in Hawaii. Das war alles so inkognito, dass nicht mal die Gästeliste bekannt wurde. Waren Sie auch dabei? Wohl eher nicht. Damals waren Sie noch zu unwichtig.

Auch Gates scheute keinen Aufwand: Um die Zeremonie vor neugierigen Blicken abzuschirmen, mietete er sämtliche Hotelzimmer der Insel und charterte alle nahe gelegenen Helikopter, um Journalisten und Paparazzi fernzuhalten.

Das kann man durchaus als Zeichen der Liebe sehen. Allerdings hat diese Geheimniskrämerei auch etwas Unsympathisches. Nichts für Sie. Man hätte gefragt: Was haben Sie zu verbergen? Was treiben Sie im Verborgenen? Deshalb ist es doch ganz schön, dass Sie und Lauren Sánchez uns alle an ihrem Fest teilhaben lassen, dass Sie Paparazzi nicht ausschliessen, sondern sich sogar proaktiv vor den Linsen auf einer Gondel küssen.

Überhaupt: Ist ein solch einmaliges Fest wirklich so schlimm für Venedig? Dieser Tage profitiert die Stadt wirtschaftlich. Da sind nicht nur Ihre Millionen, sondern auch die Millionen Ihrer Gäste. Und es ist eine schöne Imagekampagne. Klar, die hätte Venedig eigentlich gar nicht nötig, die Stadt platzt aus allen Nähten. «Overtourism at its worst.» Aber das ist ja Ihr genialer Move: Venedig ist schon lange Disneyland. Und wenn einer genug Geld zahlt, kann man ja auch den Freizeitpark mal ein Wochenende mieten. «Geschlossene Gesellschaft».

Alles Gute,

Raffael Schuppisser

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