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Nachruf

Arthur Cohn wollte die Menschen bewegen

Zum Tod des Basler Filmproduzenten und mehrfachen Oscarpreisträgers Arthur Cohn (1927–2025).
Arthur Cohn ist mit 98 Jahren gestorben.
Bild: Urs Bucher

Er war Weltbürger und Lokalgrösse zugleich. Kein Basler Bürger konnte mit dem am 4. Februar 1927 geborenen Arthur Cohn mithalten, wenn es um die Präsenz in der grossen weiten Welt des Film-Business ging. Hollywood und Los Angeles waren dem Enkel des gleichnamigen Rabbiners und Sohn eines Basler Anwalts so vertraut wie seine Heimatstadt. Seine Partys im Kreis von Filmgrössen wie Liv Ullmann, Senta Berger, Veronica Ferres und Kirk Douglas boten Stoff für die internationale Boulevard-Presse wie für den Lokaljournalismus.

Und vom Journalismus verstand Cohn fast so viel wie von der Filmproduktion, hatte er doch in jungen Jahren selbst als Journalist gearbeitet. Er wusste um die Wirkung der Medien als Resonanzkörper. Noch in vorgerücktem Alter pflegte er Kontakt zu Presseleuten, beschenkte einige Auserwählte nicht ganz uneigennützig und lud manche von ihnen zu seinen Promi-Partys ein. Er scheute den Dunstkreis der Bestechung nicht. Und wenn er erfuhr, dass in der Zeitung ein Artikel über ihn in Planung war, konnte es vorkommen, dass er sich persönlich zur Redaktion begab, um zum Rechten zu sehen. Aber er kannte daneben auch die selbstlose Grosszügigkeit, von der seine zahlreichen Freunde schwärmten.

Flair für Dokumentarisches

Die journalistische Arbeit beim «Echo der Zeit» scheint den jungen Arthur Cohn nicht ausgefüllt zu haben, auch wenn sie sein Interesse an der Politik sicher verstärkt hat. Nachdem er als junger Mann mit dem Schreiben von Drehbüchern erste Erfahrungen mit dem Medium Film gesammelt hatte, entdeckte er seine Passion für die bewegten Leinwand-Bilder. Zuerst mit Dokumentarfilmen wie «Le ciel et la boue», für den er einen ersten Oscar erhielt, dann mit «Paris Secret», nach wenigen Jahren mit dem unterhaltsamen Episodenfilm «Woman Times Seven» mit Shirley MacLaine und der italienischen Produktion «I girasoli» (Sonnenblumen).

Regie führte auch hier Vittorio de Sica, die Protagonisten waren Stars des Kinos um 1970 wie Sophia Loren und Marcello Mastroianni. Später wurde der Brasilianer Walter Salles einer von Cohns bevorzugten Regisseuren («Central Station», «Hinter der Sonne» etc.). Mit «Das etruskische Lächeln» produzierte Cohn 2018 seinen letzten Spielfilm.

Das Drama des Faschismus

Die Einbettung einer privaten Liebesgeschichte in den politischen Kontext des Zweiten Weltkriegs in «I girasoli» war typisch für Arthur Cohn, der nie nur unterhalten und immer die Menschen mit einer politisch-moralischen Botschaft bewegen wollte. Das gilt verstärkt für den ersten grossen Kinoerfolg des Produzenten Arthur Cohn, für den er wiederum mit dem Regisseur Vittorio de Sica zusammenarbeitete: «Der Garten der Finzi Contini», ein in den späten Dreissigerjahren in Ferrara spielendes Filmdrama um einen jüdischen Literaturprofessor und seine Familie, die von den Faschisten arg bedrängt werden. Der Film brachte Cohn 1972 ebenfalls einen Oscar sowie mehrere andere Ehrungen ein.

Weitere Oscars sollten folgen, für «American Dream» und «Ein Tag im September», den Dokumentarfilm über das palästinensische Attentat bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München, dem elf israelische Athleten zum Opfer fielen. Wobei umstritten ist, ob Arthur Cohn in seinem langen Produzentenleben drei Oscars bekam, wie die Oscar-Academy zählt, oder deren sechs, wie er selbst zu sagen pflegte. Die Differenz rührt daher, dass die Auszeichnungen zum Teil an die Regisseure, zum Teil an das Land, welches die Produktion einreichte, und zum Teil an den Produzenten gingen. So etwa beim Film «Sehnsucht nach Afrika», der von der Elfenbeinküste mitproduziert worden war. Laut der Zeitung «Schweiz am Sonntag» standen gleichwohl sechs Oscar-Statuen in Arthur Cohns Wohnung.

Mit «Les choristes» («Die Kinder des Monsieur Mathieu») landete Cohn 2004 nochmals einen grossen wirtschaftlichen Coup. Die Low-Budget-Produktion um einen französischen Kinderchor spielte über 83 Millionen Dollar ein – ein Vielfaches der Produktionskosten. Hinzu kamen eine «César»-Auszeichnung und eine Oscar-Nominierung als «bester fremdsprachiger Film».

Posse um das Geburtsjahr

Cohn, ein Grosser der zeitgenössischen Filmszene, war nicht frei von Verletzlichkeit. Um sein Geburtsdatum rankt sich eine kleine lokalpolitische Posse. Zum 4. Februar 2004 meldete die Schweizerische Depeschenagentur: «Filmproduzent Arthur Cohn wird 65 Jahre alt». Dann wäre sein Geburtsjahr 1939 und er zur Zeit seines ersten Oscar-Erfolgs 22 Jahre alt gewesen – nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich. Daneben gab es andere, widersprüchliche Angaben zu seinem Geburtsjahr. Hat sich Cohn, wie Plácido Domingo und andere Künstler, jünger dargestellt, als er war?

Ein Gang ins Basler Zivilstandsregister zeigte damals, dass Cohn in Wirklichkeit zwölf Jahre früher geboren wurde und Jahrgang 1927 hatte. Nachdem die «Basler Zeitung» diesen «Irrtum» aufgedeckt hatte, verfügte deren Chefredaktor ein Verbot, das Alter des Lokalheiligen Arthur Cohn zu thematisieren. Cohn selbst vermied es, ganz Primadonna, darüber zu sprechen. «Ich bin so alt wie meine Filme», zitiert ihn das Munzinger-Archiv.

Arthur Cohn war längst eine Figur der Basler Promi-Szene geworden, hingebungsvoll umschwärmt vom lokalen Boulevard. Basel war zwar nicht die einzige Stadt, die für sein Leben Bedeutung hatte, aber Cohn blieb Basler durch und durch und gab der Stadt viel an Glamour zurück. Der vierfache Ehrendoktor richtete bis 2006 ein populäres sommerliches Openair-Kinofestival («Arthur Cohn-Gala») auf dem Münsterplatz aus, wo seine neuesten Filme Premiere hatten, und man begegnete ihm an Promi-Anlässen in der Stadt. Nachdem er Jahrzehnte lang an der St. Alban-Anlage gewohnt hatte, zog es ihn im hohen Alter vermehrt nach Jerusalem, wo ein Teil seiner Familie lebt. Nun ist er im Alter von 98 Jahren in Jerusalem gestorben.

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