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Zwischenruf

Angst als Antreiber: Warum Conle, Trump und Co. den Menschen fundamental missverstehen

Angst regiert dieser Tage die Welt, kräftig befeuert von pessimistischen Milliardären. Doch ihr von einer negativen Weltanschauung geprägtes Projekt wird auf lange Sicht scheitern.
Anhänger einer düsteren Philosophie: Trump und seine Milliardärsfreunde glauben an ein betrübliches Menschenbild.
Bild: Samuel Corum/ Pool / EPA

Es muss sich angefühlt haben, als sässe sie auf dem Stuhl bei Günther Jauch: Frauke Petry, die ehemalige Chefin der deutschen AfD, war laut Correctiv- und ZDF-Recherche vor einigen Jahren beim ominösen Parteispenden-Milliardär Henning Conle eingeladen. Wie jede geschickte Politikerin versuchte Petry, dem Milliardär mit Schweiz-Bezug ein paar Millionen für ihre Partei abzuschwatzen.

Doch Conle erwischte die damalige AfD-Chefin mit einer unerwarteten Frage auf dem falschen Fuss. Ganz philosophisch fragte er nämlich, was aus Petrys Sicht die stärkste Triebkraft des Menschen sei. Petrys Antwort: Neid und Gier, was Conle mit einem lauten «Falsch!» quittiert haben soll.

Denn laut Conle sei Angst die Kraft, welche die meisten Menschen antreibt. Der konservative Milliardär offenbart damit ein ziemlich düsteres Weltbild, das gerade wieder stark an Popularität gewinnt. So verriet US-Präsident Trump, der sowieso als sehr ängstlicher Mensch gilt, dem Journalisten Bob Woodward bei einem Interview kürzlich, dass auch er Angst für die stärkste Kraft überhaupt hält: «Echte Macht – und ich will das Wort eigentlich nicht so gebrauchen – bekommt man über Angst.»

Entsprechend setzen Trump und Co. auf mehr Repression statt auf Menschenliebe – angeblich das adäquate Mittel, um sich gegen die angstbasierten Autokratien im Osten zu behaupten.

Mehrheit der Jugendlichen hat Zukunftsängste

Diese Weltanschauung wird vor allem von konservativen Parteien vertreten, und sie kommt sehr gut bei den Wählern an. Erklärbar ist das vornehmlich damit, dass bei den meisten Menschen auch im Privatleben auf individueller Ebene die Angst das dominierende Gefühl ist.

Es geht um Abstiegsängste wegen des anstehenden Strukturwandels, den die künstliche Intelligenz auszulösen droht. Um Angst vor Migration oder dem Klimawandel, kurz gesagt, um Zukunfts- und Existenzangst. Nicht erstaunlich, dass seit einigen Jahren eine Mehrheit der Jugendlichen in Umfragen angibt, zu glauben, dass es ihr im Alter schlechter gehen wird als der Generation ihrer Eltern.

Das muss auf kurze Sicht nicht unbedingt schlecht sein. Angst ist eine sehr starke Triebkraft und kann im unmittelbaren Moment riesige Ressourcen freisetzen. Womöglich braucht es das für den gesellschaftlichen Fortschritt. Doch man sollte sich dadurch nicht täuschen lassen. Auf lange Sicht ist nicht Angst der stärkste Antrieb des Menschen, sondern es ist die Hoffnung.

Denn sie wirkt viel nachhaltiger als Angst. Menschen, welche ihr Leben riskieren und die widrigsten Umstände aushalten, tun das nicht aus einer egozentrischen Angst heraus, sondern aus einer empathischen Hoffnung für ihre Nächsten. Den Beweis dafür liefern alleinerziehende Mütter, die sich für ihre Kinder unter widrigsten Umständen aufopfern. Oder Soldaten, die den Krieg aushalten, nicht weil die Angst vor der militärischen Bestrafung sie antreibt, sondern der Gedanke an die Familie und die Liebste zu Hause.

Angst funktioniert kurzfristig, auf Dauer gewinnt die Hoffnung

Manche starke Formen von Angst, die als Antrieb dienen, sind denn oft auch eher mit Hoffnung verwobene Formen von Empathie. Dann nämlich, wenn Menschen nicht eine selbstbezogene Angst empfinden, sondern eine Angst um ihre Mitmenschen. Den endgültigen Beweis für die Überlegenheit der Hoffnung findet man im historischen Rückblick. Grosse Bewegungen in der Geschichte wurden nicht aus Angst geboren, sondern aus dem Streben nach einer besseren Zukunft. Es ist die Hoffnung, die sich auf lange Sicht durchsetzt.

Das Weltbild von Conle, Trump oder Petry ist damit zum Scheitern verurteilt. Das Einzige, wovor sie und ihre Glaubensgenossen sich fürchten müssen, ist, wie ihr misanthropisches Menschenbild ein paar Generationen später betrachtet werden wird.

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