Nein, es ist nicht «Tag des Kinos». Es ist Wochenende des Zentralschweizer Films. Gleich ist der Preis: 5 Franken pro Vorstellung.
Zum fünften Mal vergibt die Albert Koechlin Stiftung am 15. März im Schweizerhof in Luzern die mit insgesamt 600’000 Franken dotierten Innerschweizer Filmpreise. Für einmal muss man nicht an ein Festival im In- oder Ausland reisen, wohin viele dieser Werke eingeladen werden und wo sie auch prämiert werden. Alle vierzehn kurzen und langen Werke, die eine fünfköpfige Jury um die Zürcher Regisseurin und Drehbuchautorin Jacqueline Zünd für Regie, Produktion oder mit einem Spezialpreis auszeichnete, dominieren am 15. und 16. März die Leinwände von Bourbaki und Stattkino Luzern. Wir stellen sie kurz vor.
Das Rahmenprogramm bietet Kinderkino (12. März), am Samstag einen Trickfilm-Workshop, einen «Parcours Filmberufe» für alle Interessierten – und die After-Show-Party in der Piano-Bar ist öffentlich. (reg/zvg)
Kurzfilm I (Sa 12.00/18.00, So 15.30)
Die graue March: Ein Herbsttag und die erste Winternacht im Hochgebirge, es ist Jagdzeit. Im zwölfminütigen Animationsfilm von Alvaro Schoeck (Brunnen) – in Co-Regie mit Charlotte Waltert (Zürich) – ziehen Tiere und Menschen ihre Bahnen zwischen dem hohen Himmel und der wilden Landschaft. Wie die Nebelschwaden. Der Film wandelt auf den Spuren des Schwyzer Schriftstellers Meinrad Inglin. Die Jury spricht von einer «stimmigen Bildsprache, die zwischen Traum, Einbildung und Realität schwebt».
On Hold: Eine junge Frau hängt in der Warteschleife einer Telefonhotline fest. In sieben Minuten erzählt Delia Hess (Luzern) in animierten, surrealen Episoden von den Absurditäten des Grossstadtlebens und dem Gefühl lähmenden Stillstands. «Mit ihren zarten Kohlezeichnungen» schenke uns die Regisseurin «ein wahres visuelles Gedicht», so die Jury.
Storytelling: Wie Mythen und Legenden entstehen und mit ihnen aufgeräumt wird, mit welchen Mitteln kommuniziert oder einfach Fakten geschaffen werden, erzählt Nils Hedinger in seinem unverwechselbaren Stil. Eine höchst anregende, so lustige wie kluge Menschheitsgeschichte in acht Minuten, produziert von Nils Hedinger Trickproduktion (Luzern).
Summer Rain: Im HSLU-Abschlussfilm erzählt Julia Krummenacher (Luzern) – in Co-Regie Marlene Low und Johanna Kern – vom verträumten Einzelkind Quincy und dessen Umgang mit der Krankheit und dem Tod der Mutter und der Trauer des Vaters. In zarten Farben lasse uns der handgezeichnete Animationsfilm «die Kraft kindlicher Fantasie miterleben und mitfühlen», heisst es in der Laudatio. «Eine sensible Geschichte über kindliche Resilienz.»
The Car That Came Back from the Sea: Die schweizerisch-polnische Animationsfilmerin Jadwiga Kowalska (Luzern) schickt sechs Freunde im Sommer 1981 auf den Weg an die polnische Ostsee. Während der Fahrt verliert das Auto wiederholt die Beifahrertür, während ihr Heimatland auseinanderzufallen droht. In Rückblenden erleben sie den Alltag im Polen kurz vor der Wende.
Ausserdem werden Christian Aregger und Roland Bucher (Luzern/Ebikon) mit dem Spezialpreis Musik ausgezeichnet. Die Musik sei der Treibstoff, der den Film antreibe, befindet die Jury. «Ein Roadtrip mit ungewissem Ziel, aber voller Hoffnung und Lebenslust.»
Kurzfilm II (Sa 14.20/19.30, So 11.30)
Exit Through the Cuckoo’s Nest: «Als Teenager im Belgrad der 1990er-Jahre fühlte sich das Leben wie in einer Art Schwebezustand an, in einem Land, das von unfähigen Idioten regiert wurde und durch Sanktionen und Kriege verkrüppelt war», schreibt Regisseur Nikola Ilić (Luzern). Als er in den Kosovo-Krieg geschickt wird, weigert er sich, zu schiessen. Im 19-minütigen Dokumentarfilm erzählt er diese Geschichte, «formal radikal und emotional berührend», so die Jury.
Unser Name ist Ausländer: Selin Besilis (Pfäffikon) kurdische Eltern flohen einst aus der Türkei in die Schweiz. Auf den Schulhausplatz, wo sie und ihre drei Geschwister Deutsch gelernt und Türkisch verlernt und erstmals «unsere Blicke» gespürt haben, tragen sie Teppich und Sofa. In der «Stube» kommt schliesslich die ganze Familie zusammen. Der HSLU-Abschlussfilm entwickle seine Kraft aus seiner Ungeschliffenheit, so die Jury, und mit ihren Zeugnissen, die betroffen und wütend machten, geben die Geschwister nicht nur sich selbst eine Stimme.
Been There: «Ein effektvoller Kurzfilm in Gemälden, der einen ungewöhnlichen Blick auf das Thema Overtourism wirft», urteilt die Jury, weshalb sie Nikola Ilić (siehe oben) für die Arbeit am Film seiner Partnerin Corina Schwingruber Ilić mit dem Spezialpreis Kamera auszeichnet.
Kurzfilm III (Sa 16.00, So 13.30/18.30)
Between Tides: Die Beschreibung selbst ist schon ein Gedicht: «Eine sensorielle Reise / auf einer schottischen Insel / uns an die Verbindungen / zwischen allem Lebendigen erinnernd / hinterfragen unserer Beziehungen / zum Meer und zum Land.» Der experimentelle Dokfilm von Mirjam Landolt (Küssnacht) lasse uns «eintauchen in ein Universum des weiblichen Geschichtenerzählens über das Meer, das Land und den Menschen», so die Jury.
Teenage Cowboy: Der 16-jährige Michele arbeitet als Cowboy auf einer wilden Hochebene in den Abruzzen. Zusammen mit seiner Kollegin, der 21-jährigen Alexandra, bietet er auf den weiten Feldern Reitausflüge für Touristen an. Doch seit den dramatischen Ereignissen vom letzten Winter ist nichts mehr wie früher. Die Jury hält fest: «Mit grossem Feingefühl» nähere sich Matteo Gariglio (Luzern) seinem jungen Protagonisten, der im Schweigen mit seiner Trauer ringt. «Eine eindringliche und visuell starke Geschichte.»
Post Mortem: Brockenhaus, Bestattungsunternehmen, Erbschaftsamt – der Film begleitet Berufsleute, die sich im Spannungsfeld zwischen Pragmatismus und Empathie den Arbeiten widmen, die nach einem Todesfall anfallen. Der Film verhandle die «nüchterne und technische Seite des Todes», schreibt die Jury. «In eindrucksvollen Tableaus» gelinge es Kezia Zurbrügg (Luzern), «dem Thema mit derselben Präzision und Nüchternheit zu begegnen: sensibel und voller Respekt». Dafür wird sie mit einem Spezialpreis Kamera ausgezeichnet; zusammen mit Patrick Näpflin führte sie auch Regie.
Bilder im Kopf (Sa 14.00/15.50, So 11.30/16.00)
Eleonora Camizzi (Kriens) begegnet ihrem Vater in einem weissen, neutralen Raum. Es geht um ihn und seine psychische Krankheit, aber auch um ihren Umgang damit. Ein auch formal interessantes Werk, finden wir. Die Jury zeigt sich «tief berührt und begeistert». Nach der 14-Uhr-Vorstellung am Samstag gibt es ein Podiumsgespräch.
Omegäng (Sa 11.30/13.40, So 13.40/16.30)
Der gebürtige Luzerner Aldo Gugolz (Berlin) geht der Schweizer Mundart auf die Spur. Mit Liebe und Humor – wir haben ausführlich darüber berichtet. Produziert wurde der Dokumentarfilm von Christina Caruso (Luzern) von Revolumenfilm, die sie zusammen mit Gugolz leitet. Ein Film nur über Sprache kann Spass machen, und wie, findet auch die Jury.
Typisch Emil – Vom Loslassen und Neuanfangen (Sa 11.00/16.30, So 11.00/14.00)
«Der Film erzählt die Entwicklung von Emil als Bühnenfigur und wie er heute damit lebt und umgeht», sagt Regisseur Phil Meyer (Luzern). Ein Film, der zum Gespräch anregt. Das Luzerner Team stellte sich unseren – auch kritischen – Fragen. Ein Kinobesuch lohnt sich. Eine «sorgfältig gestaltete Hommage, die Freude bereitet», sagt die Jury.
Innerschweizer-Filmpreis-Wochenende: Samstag/Sonntag, 15./16. März, Bourbaki und Stattkino, Luzern; Tickets: www.kinobourbaki.ch , www.innerschweizerfilmpreis.ch .
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