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French Open

Der Kampf um Termine ist lanciert

Erst seit zehn Tagen steht das Tennis wegen des Coronavirus still - und ein Ende ist noch bei weitem nicht in Sicht. Dennoch beginnt das gnadenlose Hickhack um Termine bereits.
Auch wegen der Arbeiten am Hauptstadion hatte Roland Garros keine Hoffnungen mehr, das Turnier im Mai durchzuführen und brüskierte mit der Verschiebung in den September Organisationen, Verbände und Spieler
Bild: KEYSTONE/EPA AFP POOL/MARTIN BUREAU / POOL

In Zeiten der Krise rücken die Menschen zusammen und zeigen erhöhte Solidarität - oder jeder versucht, für sich das Beste - oder am wenigsten Schlechte - herauszuholen. Der französische Tennisverband FFT entschied sich für letzteres. Offensichtlich ohne einen der anderen, (zu) zahlreichen Akteure im Tenniszirkus zu konsultieren verschob die FFT seinen Leuchtturm und Geldesel French Open auf die zwei Wochen vom 20. September bis 4. Oktober. "Wir haben einen schwierigen, aber mutigen Entscheid getroffen", lobte sich FFT-Präsident Bernard Giudicelli selber. Während eine Durchführung des zweiten Grand-Slam-Turniers des Jahres am ursprünglichen Datum Ende Mai/Anfang Juni wegen der Corona-Krise unrealistisch geworden war, bietet der neue Termin eine Fülle von Problemen.

"Ein Wahnsinn!"

"Das ist ein Wahnsinn!", twitterte Vasek Pospisil, Mitglied des ATP-Spielerrats spontan. "Keine Konsultation mit der ATP oder den Spielern. Wir haben in diesem Sport NULL zu sagen." Später löschte der Kanadier den Tweet wieder. "Excusez moi???", fragte die ehemalige US- und Australian-Open-Siegerin Naomi Osaka ungläubig. Und der beste argentinische Spieler Diego Schwartzman meinte lakonisch: "Wieder einmal finden wir es auf Twitter raus." Auch René Stammbach, Präsident von Swiss Tennis und Vizepräsident des Internationalen Tennisverbands (ITF), erfuhr vom Entscheid durch die Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Dabei ist das French Open offiziell durch die ITF und nicht durch die ATP oder WTA sanktioniert...

Das neue Datum für das grösste Sandplatz-Turnier des Jahres liegt nur eine Woche nach dem Ende des US Open auf Hartplatz in New York. Nach jetzigem Stand wird kaum ein Topspieler vor dem French Open auf Sand gespielt haben, zumal die beiden Grand-Slam-Events in Flushing Meadows und Paris als physisch die härtesten Turniere gelten. Insgesamt konkurrenziert das French Open nun fünf ATP-Turniere, vier WTA-Turniere sowie den Laver Cup zwischen einem Team Europa und einem Team Welt, der dieses Jahr in Boston geplant ist, direkt, Turniere in der Woche unmittelbar danach in Asien indirekt. Eine offizielle Reaktion der ATP oder der WTA gab es bis Mittwochmorgen auf Anfrage von Keystone-SDA nicht, auf den Websites war kein Wort von der Terminverschiebung zu lesen. Sie wurden - wie die Spieler - ganz offensichtlich auf dem falschen Fuss erwischt.

Ob der Tenniskalender so stehen bleibt, wie er sich im Moment präsentiert, steht natürlich völlig in den Sternen. Bis zum Beginn der Rasensaison wurde bereits sämtliche Turniere gestrichen. Wimbledon (29. Juni bis 12. Juli) und US Open (31. August bis 13. September) gehen im Moment davon aus, dass ihre Turniere wie vorgesehen über die Bühne gehen. In einer Mitteilung liess der amerikanische Tennisverband USTA aber eine mögliche Verschiebung nach hinten offen. Und mit einem offensichtlichen Seitenhieb an die Franzosen: "In einer Zeit, in der die Welt zusammen rückt, sollte ein solcher Entscheid niemals unilateral und nur in voller Absprache mit den anderen Grand-Slam-Turnieren, der ATP, der WTA und der ITF getroffen werden." Die Verantwortlichen des Laver Cup zeigten sich ebenfalls "überrascht". Man werde die Optionen prüfen, halte aber derzeit am vorgesehenen Datum fest.

Absage von Olympia hätte geholfen

Das French Open war aber am stärksten unter Zugzwang. Weil das Turnier früher als Wimbledon und das US Open anstand - und weil auf dieses Jahr hin mit dem neuen Dach auf dem Hauptplatz enorme Investitionen vorgenommen wurden. Die FFT hoffte vielleicht auf eine Absage der Olympischen Spiele, nach der IOC-Videokonferenz am Dienstag. Das hätte im Sommer - nach Wimbledon - Platz für ein verschobenes French Open geschaffen. Nun gerieten die Verantwortlichen in Zugzwang.

Eine Absage für ein Jahr - was letztmals während des Zweiten Weltkriegs geschah - hätte mehr Sinn gemacht, doch das war für die FFT offensichtlich keine Option. Sie könnte sich aber auch verrechnen. Was, wenn eine Reihe von Topspielern das Turnier boykottiert, weil sie im September nicht noch einmal auf Sand wechseln wollen? Was, wenn der zwölffache Sieger Rafael Nadal beim US Open weit kommt und eine Woche später nicht frisch genug ist, um gleich wieder anzutreten? Was, wenn das Wetter Ende September doch nicht gut genug ist, um hunderte von Matches auf den Aussenplätzen ohne Dach zu spielen?

Es sind viele Fragen und derzeit kaum Antworten. Dabei hätte die Tenniswelt noch andere, für viele Spielerinnen und Spieler dringendere Probleme zu lösen. Wie können Sportler ohne Reserven und Wochen oder Monaten ohne Einnahmen überleben? Was passiert mit den Weltranglisten-Punkten, die in den nächsten Wochen und Monaten aus der Wertung fallen? Zumindest auf diese Frage fanden ATP und WTA am Mittwochabend eine erste Antwort. Die beiden Rankings werden auf dem aktuellen Stand eingefroren. Damit ist auch klar, dass der derzeit wegen einer Knieoperation sowieso pausierende Roger Federer auf Platz 4 bleiben wird. Ansonsten riefen die Verbände zu Kooperation und gegen Alleingänge auf. (sda)

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