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Sport

Nach der vierten Knieoperation sah sich Aline Danioth nach Alternativen zum Skifahren um

Mit 22 Jahren hat Aline Danioth vier Knieoperationen hinter sich. Eine fünfte wird folgen. Rücktrittsgedanken hat sie deswegen nicht.
(Valentin Luthiger)
2018 gewinnt Danioth an den Junioren-Weltmeisterschaften in Davos Gold in der Kombination. (Manuel Lopez (Davos, 5. Februar 2018))

Claudio Zanini

Claudio Zanini

Dass Aline Danioth irgendwann den Durchbruch schafft, schien unbestritten. Vielleicht diese Saison, vielleicht nächste, vielleicht erst übernächste. Die Frage war nie ob, sondern wann.

Doch so hartnäckig Danioth versuchte, sich ihren Zielen im Weltcup zu nähern, so zuverlässig entrückten sie ihr. Wie in einem bösen Traum. Vor einem Monat hat sie sich die vierte Knieverletzung innert vier Jahren zugezogen, das rechte vordere Kreuzband ist gerissen, der Innenmeniskus ebenso. Neun Monate zuvor hatte sie praktisch dieselbe Verletzung. Sie fährt von einem Unglück ins nächste. Der Arzt von Swiss-Ski, ein nüchterner Sportmediziner, sagte vor der Fernsehkamera: «Oh nein! Nein! Das darf einfach nicht wahr sein!»

Im Januar 2020 empfing Danioth Medienvertreter mit hochgelagertem Bein in Andermatt. Auf einer Holztafel am Eingang des Dorfes waren Genesungswünsche zu lesen. «Achtung, das Bein», sagte Carlo Danioth, der Vater, damit auch ja keiner bei der Begrüssung das geschiente Bein touchierte. Das Dorf, die Familie, alle schienen mitzuleiden. Die einzige Person, die Lebensfreude versprühte, war Aline Danioth selbst. Sie sagte Dinge wie: «Wenn die Leute hohe Erwartungen haben, gibt mir das mehr Selbstvertrauen.»

Auf Vulkanen wandern

Am Montagnachmittag empfing Danioth erneut zur Fragerunde, diesmal via Videokonferenz. Medienanfragen hat sie seit der Verletzung Mitte Oktober kategorisch zurückgewiesen. Sie habe «ein Durcheinander» im Kopf gehabt, sagt sie jetzt. «Ich hätte gar nicht gewusst, was ich nach aussen kommunizieren soll.» Und die Fragen sind sehr ähnlich wie diejenigen vom Januar: Wie verläuft die Reha? Gibt es einen Zeitplan? Oder Rücktrittsgedanken?

Es sei dieses Mal «ein besonders harter Schlag» gewesen, betont Danioth. Sie war erst seit zwei Monaten wieder auf den Ski, hatte eine riesige Reha hinter sich. Dann folgte die verhängnisvolle Trainingsfahrt auf der Diavolezza. Und grundsätzliche Gedanken. Sie überlegte sich, was es sonst noch gebe im Leben ausser Skifahren und sah sich nach Alternativen um. «Ich wäre nicht böse, wenn ich etwas finden würde, dass mir ähnlich viel Spass wie das Skifahren macht. Aber ich sehe es im Moment nicht.» Danioth ist fest entschlossen, sie will zurückkehren. Ein erster Schritt wäre eine vernünftige Heilung. Mit 22 Jahren hat sie bereits vier Knieoperationen hinter sich. Es werden bald fünf sein. Bei der jetzigen Verletzung wird noch eine zweite Operation folgen.

Sie wird sich nun Distanz zum Skisport verschaffen und für sechs Wochen nach Hawaii verreisen, dort will sie Englisch lernen und auf Vulkanen wandern. Und irgendwann brauche es eine umfangreiche Analyse. Es müssten Dinge optimiert werden, Dinge, die Verletzungen vorbeugen können. Konkretes kann sie dazu noch nicht sagen. Doch die Ziele bleiben offenbar in Stein gemeisselt. «Ich will nicht einfach an Rennen teilnehmen, ich will um Podestplätze fahren», sagt sie.

Russi: «Tragisch sind andere Dinge»

Dass die Ziele nicht verwegen sind, liegt an den Erfolgen in der Jugend. Sie gewann auf allen Stufen im Nachwuchs, sei es beim Migros Grand Prix, beim internationalen Rennen Trofeo Topolino, bei Winterspielen und Weltmeisterschaften. Bei den Olympischen Jugendspielen in Lillehammer 2016 holte sie innerhalb von sieben Tagen vier Medaillen. Das Dorf feierte sie bei der Heimkehr, die Gemeinderätin, der Tourismusdirektor und der Regierungsrat würdigten sie als Botschafterin von Uri. Danioth, die Weitgereiste, sagte: «Ich bin nirgends lieber als zu Hause.» In Andermatt ist sie schon lange Weltspitze.

Als sie im Oktober 2016 ihre erste komplette Weltcup-Saison in Angriff nehmen wollte, sagte der Chef ihres damaligen Ausrüsters Head, ihr würden alle Türen offen stehen – sofern sie gesund bleibe. Eine hochtalentierte Skifahrerin mit dem gleichen Herkunftsort wie Bernhard Russi, das muss die nächste Seriensiegerin sein, die Meinungen waren gemacht. Zwei Monate später riss das Kreuzband. Aus einer ersten richtigen Saison wurden vier Rennen.

Bernhard Russi schrieb Danioth nach dem neusten Rückschlag eine Nachricht. Sie solle sich Zeit lassen, längerfristig planen und nicht bereits an die WM in Cortina 2021 oder die Winterspiele in Peking 2022 denken, so seine Botschaft. Von Tragik will er nicht sprechen. «Tragisch sind andere Dinge auf der Welt, etwa der Krieg. Aber nicht Verletzungen im Spitzensport.» Als Beobachter würden ihm solche Verletzungen wehtun, sagt Russi. «Doch in Bezug auf die ganze Karriere ist nichts Gravierendes passiert. Von 15 Jahren sind vielleicht insgesamt drei verloren gegangen, das muss man realistisch betrachten.» Es klingt ganz so, als würde sich lediglich der Durchbruch nochmals verschieben.

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