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Leserbrief

Toprope oder am Grenzpunkt der Logik

Zum Artikel «Tiefe Einblicke ins Universum» vom 25. Oktober

«Der unerklärliche Moment vor 13,82 Milliarden Jahren» und damit der Grund des Urknalls bleibt ungesichert wie beim Erst- oder Vorsteigen im Klettersport (zumindest für eine Seillänge). Hanspeter Fischer orientierte im Mythenforum am 25. Oktober über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erforschung des Universums und über den Fortschritt, den sie neuerdings mithilfe des James-Webb-Teleskops machen konnte.

Die in sich noch stimmigen, aber nicht zusammenführbaren Theorien zur Entstehung des Universums bleiben also Science-Fiction. Der archimedische Punkt, an dem alles hängt, bleibt unauffindbar. Die ontologische, scheinbar unüberbrückbare Differenz zwischen Platons induktiver Logik und Aristoteles deduktiver Hilfslogik (prämissenbasierte Syllogik) bleibt uns also erhalten, wenn auch eine zunehmende Mehrheit der Menschen darüber nicht mehr nachdenkt: Sie ist dem materialistisch-mechanistischen Weltbild verfallen und hat das Sein selbst vergessen, sie hat die Sinnsuche um des Hier-und-Jetzt-Willens verdrängt, das Bad mit dem Kind ausgeschüttet, aber damit auch die Menschenwürde verloren, den Grund der Menschenrechte. Sie hat die ethische Verantwortung Max Webers an zentrale Instanzen delegiert und damit auch die Sonderstellung der Person aufgegeben. Der radikale Kapitalismus rechts und der dialektische Kollektivismus links scheinen die Konkursmasse zu übernehmen – wecken aber auch böse Erinnerungen: In den Amtsstuben des Nationalsozialismus hing der gerahmte Spruch «Du bist nichts, der Führer ist alles.» In der real existierenden Europäischen Union verflüchtigt sich die personale Verantwortung mit der Distanz zu Brüssel ebenso wie die Radioaktivität: Die EU ist der institutionalisierte Halbwertszerfall der Verantwortungsethik Max Webers.

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