notifications
Eingesandt:  Leserbrief

Geo-«Politik» durch Gewalt scheint «en vogue»

Zum Leserbrief von Eduard Keller «Falken und Friedenstauben» vom 11. April

«Die Krim ist ein Territorium der Angst.» Das sagte Refat Tschubarow (Quelle «NZZ», 16. März). Er ist Vorsitzender der Medschlis, der politischen Vertretung der Krimtataren. Lange bevor sich Moskowien und seine kolonialen Herrscher, unterstützt und verkörpert durch westeuropäische Adelshäuser (Katharina II) aus den Sümpfen erhoben hatten, besiedelten Tataren die Krim. Das Territorium des heutigen Russlands wurde von vielen Völkern und deren Stämmen bewohnt. Die Kiewer Rus wurde nicht von «Russen», sondern von Völkern aus dem Baltikum und aus Skandinavien besiedelt und hatte ihr Zentrum im heutigen Kiew. Bis mindestens 1750 gehörte das Krim-Khanat zum Osmanischen Reich. Erst mit Iwan dem Schrecklichen, Peter I, Lenin, Stalin und Putin expandierte Moskowien zu einem Imperium, welches vor keiner noch so brutalen Gewalt zurückschreckte, um diese Völker zu kolonialisieren. 180 014 Krimtataren wurden unter Stalin 1944 nach Usbekistan deportiert. Im Laufe der Perestroika kehrten viele Krimtataren in ihre Heimat, die Ukraine zurück, bis sie 2014 erneut von den Russen unterdrückt und vertrieben wurden. Übrigens: Chruschtschow «schenkte» die Krim nicht der Ukraine. Die Angliederung an die Ukraine hatte pragmatische Gründe wie Energieversorgung, Wasserversorgung und Landzugang.

Eduard Keller verbreitet lieber Putins Geschichtsklitterung. Ich frage mich: Warum? Ich frage mich, was Eduard Keller das Recht gibt, über die Ukraine und deren Territorien zu urteilen? War es nicht Russland selber, das im Budapester Memorandum von 1994 die «Eigenstaatlichkeit» und die «Territoriale Unversehrtheit» der Ukraine versprach? Würde man der «Logik» von Eduard Keller folgen, würde heute Europa und die Schweiz völlig anders aussehen. Geo-«Politik» ist scheinbar wieder in Mode.