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Leserbrief

Doppelzüngige Neutralität

Zum Leserbrief «Friedenstauben spalten?» vom 30. Dezember

Beim Studieren einzelner SVP-Leserbriefe komme ich immer wieder ins Schmunzeln, so auch beim Beitrag des Kantonsratskollegen Fredy Prachoinig. Er und seine SVP-Fraktion beschwören bei jeder Gelegenheit Neutralität und Souveränität für die Schweiz.

Gleichzeitig erklärt uns Herr Prachoinig kürzlich in einer stark vereinfachten Analyse die geopolitische Lage in Europa inklusive konkreter Handlungsanweisung an die Ukraine. Dass Europa dank der EU seit Jahrzehnten von Frieden und Stabilität profitiert, blendet er dabei einfach aus. Stattdessen wird die Unterstützung eines angegriffenen Landes kurzerhand zur Kriegstreiberei erklärt. Diese Sichtweise ist bequem, aber verkürzt.

Wer Neutralität fordert, sollte sie nicht selektiv anwenden. Es wirkt widersprüchlich und anmassend, wenn SVP-Politiker wie Herr Prachoinig die schweizerische Nichteinmischung predigen und gleichzeitig anderen Staaten öffentlich sagen, was sie zu tun haben. Würden solche Politiker Neutralität tatsächlich ernst nehmen, sollten sie die Selbstbestimmung souveräner Länder auch dann akzeptieren, wenn deren Entscheidungen nicht in ihr eigenes Weltbild passen.