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Leserbrief

Das Zauberwort heisst Kontrolle

Zur Abstimmung über die Einführung einer E-ID am 28. September

Total fasziniert habe ich das Buch «Corpus Delicti» und das folgende «Fragen zu Corpus Delicti» von Juli Zeh gelesen. Ihre Dystopie möchte uns Menschen warnen, sensibilisieren und auch auffordern, zu erkennen, was mich zum Menschen macht, was ein gutes Leben ist.

Seit wir uns von Gott und der Religion verabschiedet haben, sehen wir uns dem Segen – oder Fluch? – ausgesetzt, selbst für unser Leben verantwortlich zu sein. Gesundheit ist das höchste Gut geworden, wurde zur neuen Religion und wird wörtlich genommen. Ihr widmet man sich zur Verbesserung der sportlichen Fähigkeiten, des Essens, Schlafverhaltens, Aussehens, Liebeslebens, der Psychohygiene und so weiter. Es geht nur noch um das Projekt «Ich», das messbare «Ich», «Quantified Self», genannt. Mit digitalen Techniken, wie Smartwatches, wird alles beobachtet und ausgewertet und sklavisch befolgt: total unfrei.

Als Mia, die Hauptperson im Buch von Juli Zeh, sich den Chip aus dem Arm reisst, wird sie zur Staatsfeindin, zur Vogelfreien, nicht mehr kontrollierbar und existent. Je mehr der Staat über die Menschen weiss, umso mehr kann er sie steuern. Haben wir wirklich das Gefühl, dass alle Daten, die mit der E-ID gesammelt werden, vom Staat wirklich zu unserem Wohl eingesetzt werden? Mia – oder Ungeimpfte – hätte plötzlich keinen Zutritt mehr zu einem Einkaufsladen, zu Ferien, Ausbildungen oder Ablehnung der Wohnungsmiete?

Wir hören viel von Cyberkriminalität, von Flug- und Bahnhöfen, an denen nichts mehr läuft, so sicher ist das Ganze nicht. Ich brauche die digitale Welt, schätze sie auch, aber gebe trotzdem meine ganze Verantwortung über mein Leben nicht in ihre Hände; spüre einfach ein Unbehagen.

Also wer noch selber denken, sein Leben selbstbestimmt und frei leben möchte, lässt besser die Hände von der E-ID, darum Nein bei der Abstimmung am 28. September.